Wochenblatt-Leserin Ina G. in R. fragt: Mein Immobiliendarlehen weist am Ende der verbleibenden Zinsfestschreibung (fünf Jahre) eine Restschuld auf. Die Bank warnt nun vor stark steigenden Zinsen bei der Anschlussfinanzierung und rät mir, bereits heute einen Bausparvertrag abzuschließen. Diesen könne ich mit nur 100 € im Monat besparen. Die Abschlussgebühren würden sich auf jeden Fall durch die zu erwartende Zinssteigerung rechnen, sagt die Bank. Wie ist diese Empfehlung aus unabhängiger Sicht zu bewerten?
Prof. Dr. Hartmut Walz, Hochschule Ludwigshafen am Rhein, antwortet: Ich darf keine konkrete Finanzberatung durchführen und tue das hier auch nicht, da Sie nichts über die Höhe der Restschuld in fünf Jahren geschrieben haben. Jedoch erhalte ich derzeit viele ähnliche Anfragen und kann eine allgemeine und trotzdem klare Antwort geben.
Offenbar argumentieren viele Banken und Bausparkassen mit der Angst vor starken Zinssteigerungen und verkaufen auf diese Weise recht erfolgreich Bausparverträge. Aus Ihrer Sicht ist die empfohlene Konstruktion jedoch höchstwahrscheinlich unvorteilhaft und hat zudem einen bösen Haken.
- Die Immobilienzinsen müssten wirklich sehr stark steigen, damit sich der Bausparvertrag lohnt. Der gerne von den Bankverkäufern angestellte Vergleich zwischen Marktzins und Zinssatz des Bauspardarlehens greift nämlich zu kurz. Denn Sie müssten auf den laufenden Zins des Bauspardarlehens noch die fällige Darlehensgebühr und die heute fällige Abschlussgebühr umlegen. Außerdem wird Ihre Sparleistung im Bausparvertrag bis zur Zuteilung nur minimal (meist mit 0,1 %) verzinst, wodurch Ihnen die höheren Zinsen anderer Anlagemöglichkeiten entgehen. Während ich mir keine Prognosen erlaube, scheint die Bank sicher zu sein, dass die Zinsen steigen. Hat die Bank wirklich recht, entgehen Ihnen während der Ansparphase im Bausparvertrag bereits beträchtliche Vorteile, die Sie den erhofften Zinsersparnissen ab dem fünften Jahr gegenüberstellen müssten.
- Nun zu dem Haken: Wenn die Bank Ihnen anbietet, den Bausparvertrag nur mit geringen Beträgen anzusparen, liegt der Verdacht nahe, dass es ihr nur um die Abschlussprovision geht. Denn die Sparleistung müsste so hoch sein, dass Ihr Bausparvertrag wirklich beim Auslaufen des jetzigen Darlehens auch zuteilungsreif wird. Damit das mit einer kleinen Ansparleistung funktioniert, darf auch der Bausparvertrag nur gering sein – ich schätze überschlägig ein Vertragsvolumen von 12.000 bis 15.000 €. Damit hätten Sie je nach Vertragstyp eine zusätzliche Restschuld von 6000 bis 9000 € gegen Zinssteigerungen in fünf Jahren abgesichert.
- Wäre Ihre Restschuld wirklich so klein, könnten Sie das Risiko steigender Zinsen locker selbst stemmen, da Sie den Ansparbetrag in fünf Jahren ohnehin schon für eine Sondertilgung zur Verfügung hätten. Rät Ihnen die Bank aber zu einem erheblich höheren Bausparvertrag – was ich schon alleine deshalb vermute, da sie dadurch auch mehr Provision erhält – wird Ihr Bausparvertrag in fünf Jahren nicht zuteilungsreif sein. Dies ist für Sie sehr unerfreulich, da Sie eine Zwischenfinanzierung benötigen, die bestimmt besonders teuer wird, da Sie durch den bereits angesparten Bausparvertrag unflexibel geworden sind. Oder man wird Ihnen raten, den Bausparvertrag aufzulösen und das Guthaben zu entnehmen, weil die Zinsen eben doch nicht so stark gestiegen sind. Die Abschlussgebühr ist in diesem Fall trotzdem weg.
- Ich rate allen Leser:innen, die in dieser Entscheidungssituation stecken, Folgendes: Entweder Sie stellen nach einer überschlägigen Berechnung der theoretisch bei Zinssteigerungen drohenden Mehrbelastung fest, dass Sie das Risiko gut verkraften können. Dann tun Sie heute einfach nichts. Kommen Sie aber zum Ergebnis, dass Sie das Zinssteigerungsrisiko nicht tragen können oder wollen, dann sichern Sie sich bereits heute den Anschlusszins durch Abschluss eines Forward-Darlehens: Der Zinssatz, den Sie in der Zukunft bezahlen, wird damit fixiert, aber es kommt erst nach Fälligkeit des aktuell laufenden Darlehens zur Auszahlung. Sie könnten auch nur einen Teil der Restschuld so absichern (zum Beispiel 100.000 € bei einer erwarteten Restschuld von 132.000 €) und bleiben mit dem Rest flexibel. Die Frage, warum Ihnen die Bank nicht von sich aus das Forward-Darlehen angeboten hat, kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich könnte nur vermuten, dass gerade „Bauspar-Wochen“ waren – Sie verstehen?
Die Inhalte stellen keine konkrete Anlageempfehlung sowie keine Finanz-, Rechts-, Steuer- oder andere Beratung dar.
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(Folge 38-2022)