Wochenblatt-Leserin Irene L. in C. fragt: Während Prof. Dr. Walz in seinen Beiträgen und auch dem Online-Seminar stets breit streuende Aktien-ETFs empfiehlt, las ich kürzlich im Beitrag über autonomes Fahren ganz konkrete Anlagehinweise für spezielle Branchenfonds (Digitalisierung, Künstliche Intelligenz usw). Sind das nicht widersprüchlicher Ratschläge?
Prof. Dr. Hartmut Walz von der Hochschule Ludwigshafen am Rhein antwortet: Ja, in der Tat sind die beiden Empfehlungen widersprüchlich – ganz nach dem Motto „Zwei Experten, drei Meinungen“. Aber ich kann Ihnen den Grund hierfür gut und mit Respekt vor dem Kollegen erläutern, sodass Sie sich schnell Ihre eigene Meinung bilden können.
Der Kollege stellt am Ende seines Beitrags über autonomes Fahren ein paar konkrete Anlageprodukte vor, in die Sie investieren können, falls Sie die Marktmeinung hätten, dass sich diese Branchen ganz besonders gut entwickeln werden. Es genügt dabei keinesfalls, dass die Bereiche rund um autonomes Fahren (und autonome Feldbestellung und Ernte) ein höheres Wachstum als der branchenübergreifende, breite Markt aufweisen. Denn ein solches höheres Wachstum ist in den heutigen Kursen bereits vorweggenommen – im Fachjargon: „eingepreist“. Damit Sie mit den Branchenfonds eine „Überrendite“ erzielen, müssen sich die oben genannten Automatisierungsbereiche noch besser entwickeln, als derzeit angenommen. Das heißt, dass die Branchenentwicklung der nächsten Jahre die heutigen Erwartungen übertreffen müssen. Das kann durchaus der Fall sein – das Gegenteil jedoch ebenso. Falls Sie also die klare Marktmeinung haben, dass in der Automatisierungsbranche ein vom Markt noch unerkanntes Potenzial steckt, dann sollten Sie diese Branchenwette eingehen.
Keine Vorhersage möglich
Ich persönlich glaube das nicht. Ich gehe einfach davon aus, dass man eine in den heutigen Kursen noch nicht erhaltene „Outperformance“ einer Branche gegenüber einer anderen nicht vorhersagen kann. Und deshalb verzichte ich auch bei meinen eigenen Investments auf derartige Prognosen und empfehle auch keine Branchenwetten. Meine grundsätzliche Bevorzugung von möglichst marktbreiten Aktien-ETFs, die nicht nur maximal viele Länder bzw. Regionen, Währungsbereiche, sondern auch ebenso möglichst viele Branchen umfassen, stammt also aus der bescheidenen Einsicht, dass die Finanzmärkte sehr informationseffizient sind und ein Einzelner nicht schlauer oder besser informiert ist als der gesamte Markt. Natürlich kann es gut sein, dass Sie mit dem einen oder anderen Brancheninvestment in einem bestimmten Zeitraum die Gesamtmarktrendite übertreffen, jedoch ist dies rein zufällig. Und wird wahrscheinlich durch andere Branchenwetten, die zu Ihrem Nachteil laufen, wieder aufgezehrt.
Was bleibt, sind die doppelt bis dreifach höheren Kosten vieler Branchen-ETFs gegenüber den von mir empfohlenen „braven“ marktbreiten „Brot-und-Butter-Produkten“.
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(Folge 19-2022)