Ein Landwirt wird sich für einen Kredit künftig noch mehr ins Zeug legen müssen. Denn für die Beurteilung der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch die Bank oder Versicherung sind nicht nur die variablen Kosten relevant.
Soziale Kriterien, Unternehmensführung und Umweltziele
Es geht auch um soziale Kriterien, Unternehmensführung und Umweltziele. Unter anderem muss der Stall deutlich weniger umweltbelastend sein als frühere konventionellen Bauten; also beispielsweise eine höhere Haltungsstufe haben. Außerdem nimmt beispielsweise auch die Verzinsung der eingesetzten Ressourcen Boden, Bauten und der Unternehmer selbst einen höheren Stellenwert ein.
Ebenso spielen die Abnehmer innerhalb der Lieferkette eine tragende Rolle. Sie sind gefordert, die Regionalität und die Ökologie zu unterstützen und gleichzeitig für die Produzenten kostendeckende Preise zu zahlen.
Taxonomie als Hebel
Um mehr Nachhaltigkeit auch in den Agrarbereich zu bringen, nutzt Brüssel einen großen Hebel: Das sind die EU-Taxonomie und damit einhergehend das ESG-Rating und das Lieferkettengesetz.
Was ist EU-Taxonomie?
Taxonomie hat nichts mit „taxes“, also Steuern zu tun. Der Begriff leitet sich aus dem griechischen „táxis“ (= Ordnung) und „nomos“ (= Gesetz) ab. Konkret werden die Vereinbarungen aus den 17 Zielen der UN-Agenda 2030 in ein EU-weites Klassifizierungssystem eingeordnet, mit dem die ökologische Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten bewertet wird.
Die EU-Taxonomie-Verordnung und dazugehörige Vorschriften werden schrittweise bis zum Jahr 2027 umgesetzt. Der Kreis der Unternehmen, die sie zu beachten haben, wird immer weiter gezogen. Da diese Unternehmen auch die Umweltwirkungen ihrer Lieferanten und Kunden berücksichtigen müssen, werden alle wirtschaftlich Tätigen in der EU früher oder später erfasst – auch die Landwirtschaft.
Sechs Umweltziele
Die EU-Taxonomie-Verordnung verfolgt folgende sechs Umweltziele:
- 1. Klimaschutz
- 2. Anpassung an den Klimawandel
- 3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- 4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- 5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- 6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Das führt dazu, dass etwa bei der Kreditvergabe jede wirtschaftliche Aktivität bestimmten Fragen standhalten muss:
- Leistet die Tätigkeit einen Beitrag zu mindestens einem der sechs Ziele?
- Schadet die wirtschaftliche Tätigkeit keinem der Umweltziele wesentlich?
- Erfüllt sie ein Minimum an Sicherheitsstandards, um einen negativen sozialen Einfluss zu vermeiden?
Wichtig bei Krediten: die ESG-Kriterien
Ein weiterer Baustein der Taxonomie sind die ESG-Kriterien. Sie sind wichtig bei Kreditvergaben und dem Versicherungsschutz. Bei dem Risikobeurteilungsverfahren kommt das sogenannte ESG-Rating zur Anwendung. Dabei werden ökologische, soziale und betriebswirtschaftliche Faktoren untersucht.
Diese Vorschriften müssen Banken, Sparkassen und Versicherungen bei ihren Geschäften zukünftig beachten und über diesen Hebel sind ebenfalls wieder alle Unternehmenskunden betroffen.
Weiterer Baustein: Lieferketten dokumentieren
Ebenfalls in diese Richtung wirkt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Dieses verpflichtet große Unternehmen derzeit ab 3000 Mitarbeitern, bestimmte soziale, ökologische und wirtschaftliche Standards innerhalb ihrer Lieferketten einzuhalten. Auch hier wird die schriftliche und nachvollziehbare Dokumentation für Landwirte verpflichtend werden.
Was heißt das für Landwirte?
Schon jetzt steht fest: Da kommt was auf potenzielle Kreditnehmer zu. Bereits jetzt müssen Landwirte mit den Haltungsstufen Umweltziele einhalten. Dadurch, dass Taxonomie, ESG-Ratings und das Lieferkettengesetz im Endeffekt die gleiche Zielrichtung haben, sollten Dokumentationsanforderungen einheitlich sein. Allein, um eine weiter ausufernden Bürokratisierung für Landwirte zu vermeiden. Außerdem müssen die übrigen Marktteilnehmer mit dafür sorgen, dass das auch praxisgerecht umsetzbar ist und entsprechend honoriert wird.
Auskömmliche Preise sind erforderlich, um nachhaltig und erfolgreich wirtschaften zu können. Werden diese Preise dauerhaft nicht gezahlt, so wird die Finanzierung und Versicherung von Betrieben mittelfristig sehr schwierig und nahezu unmöglich gemacht.
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