„Ich lebe seit Kriegsbeginn mit meiner Frau auf dem Betrieb. Bei uns sind Menschen, die hierher geflüchtet sind: ein Ehepaar aus Kiew mit einem vierjährigen Kind, zwei Studentinnen, 18 und 21 Jahre alt, und zwei Familien aus Riwne mit einem achtjährigen Kind.
Nachts sehen wir die Lichter der Bomben in Schytomyr. Bis dahin fahren wir etwa 1,5 Stunden mit dem Auto. In den ersten Nächten haben wir nicht geschlafen. Wir saßen auf den Koffern und waren bereit, bis zur Grenze zu fahren, um die Frauen und Kinder dort zu lassen. Am ersten Tag wurde auch der Flughafen von Riwne bombardiert, etwa 25 km von uns entfernt. Wir dachten, die Fensterscheiben fallen raus.
"Die Regale werden mit jedem Tag leerer"
Wir haben Strom, Internet, Handynetz und einen eigenen Brunnen. Es gibt aber auch Ausfälle im Handynetz. Wir haben genug zu essen, da sind noch reichlich Vorräte aus dem Sommer. Man kann in der Stadt Lebensmittel kaufen, aber die Regale werden mit jedem Tag leerer.
Wie die Situation auf dem Betrieb aussieht? Wir düngen gerade Stickstoff. Den haben wir noch vor dem Krieg bekommen. Aber mit den Pflanzenschutzmitteln ist es schwierig. Wir haben etwa 30 % von dem, was wir normalerweise brauchen, um einen sicheren Ertrag zu ernten. Die Zentrallager unserer Lieferanten befinden sich in der Nähe von Kiew, da wird bombardiert. Ob etwas geliefert wird, kann niemand sagen. Aus der EU kommt momentan nichts in die Ukraine rein. Mit dem Diesel ist es auch schwierig, wir haben einige Reserven, aber kaufen kann man zurzeit nichts. Unsere Mitarbeiter kommen zur Arbeit, wenn sie gebraucht werden. Ich rufe sie dann einfach an, abgesagt hat bisher niemand.
"Sehr viele Familien erwarten die Eskalation"
Aus unserem Dorf ist bis jetzt noch niemand geflohen. Aber sehr, sehr viele Familien erwarten eine Eskalation und halten sich bereit, in Richtung polnischer Grenze zu fahren. Die Männer dürfen nicht ausreisen.
In den ersten Tagen hatten alle sehr viel Angst. Eines der stärksten Länder hat einen Krieg gegen uns angefangen. Außerdem haben sie Atomwaffen. Aber jetzt verstehen wir, dass wir mit der Unterstützung von vielen Ländern sehr gute Chancen haben, zu gewinnen. Es geht um Freiheit und Frieden, nicht nur bei uns, in der ganzen Welt!
"Ohne euch wäre alles unmöglich"
Im Namen der Ukraine möchte ich sagen, dass wir allen, die uns helfen, sehr dankbar sind. Ohne euch wäre alles unmöglich. Danke für das Essen, Klamotten, für das Beten, die Unterkünfte für unsere Frauen und Kinder und die guten Worte. Wir werden es nie im Leben vergessen!“
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