Die Heiligen Drei Könige brachten dem Jesuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe. Dabei waren sie vermutlich nicht ohne Hintergedanken.
Davon kann man ausgehen. Da machen sich drei Könige aus einem weit entfernten Land auf den Weg, um einem Kind sehr teure Geschenke zu bringen. Sie glauben, dass dieses Kind politisch eine Rolle spielen wird. Die Geschenke zeigen: Sie wünschen sich eine Verbindung – und vielleicht auch eine Gegenleistung.
Welche Funktion haben Geschenke?
Im Grunde kann man Geschenke als sozialen Kitt bezeichnen – zumal dann, wenn es Gegenleistungen gibt. Ich bringe symbolisch zum Ausdruck, dass ich mit jemandem verbunden sein möchte. Es gibt aber auch andere Konstellationen: Wenn die Herrschaft früher dem Dienstmädchen eine Schürze schenkte, dann machte sie dadurch klar, wer gesellschaftlich oben und wer unten war.
Wie ist Weihnachten zu einem Fest geworden, an dem vor allem Kinder beschenkt werden?
Im 19. Jahrhundert hat sich die bürgerliche Kleinfamilie herausgebildet. Und diese Familien haben einige Rituale des Adels übernommen. Dazu gehörte an Weihnachten das Beschenken der Diener und der Kinder.
Was hat man sich damals zu Weihnachten geschenkt?
Quellen aus adeligem Milieu und der sehr dünnen bürgerlichen Oberschicht berichten häufig von geschlechtsspezifischem Spielzeug. Die Jungen bekamen Spielzeugsoldaten, kleine Säbel und Helme, die Mädchen Puppen, Puppenkleider oder kleine Kochherde. Dienstboten bekamen von der Herrschaft entweder Geld oder Praktisches, wie Stoffe oder Kleidungsstücke. Gegengeschenke wurden nicht erwartet, ebenso wie bei den Kindern. In den Unterschichten spielten Geschenke zu Weihnachten lange keine Rolle. Es war ein rein religiöses Fest.
Gibt es da westfälische Besonderheiten?
In Westfalen ist das Weihnachtsfest, vor allem bei der katholischen Bevölkerung, lange in diesem sehr christlichen Kontext geblieben. Gerade die bäuerliche Bevölkerung erwies sich als besonders traditionsgebunden. Geschenke gab es traditionell eher zum Nikolausfest. Der 6. Dezember wurde noch bis ins 20. Jahrhundert als Hauptgeschenk-Termin beworben.
Schon Konrad Adenauer beklagte in seiner Weihnachtsansprache 1955 eine „übertriebene Lichterflut in den Straßen und Läden“ und das „Übermaß des Schenkens“. Wann beginnt die Auseinandersetzung darüber, ob das nicht langsam alles zu viel wird?
Kritik am Übermaß gab es bereits im 19. Jahrhundert. Aber man muss sich fragen: Was steckt aktuell hinter dieser Kritik? Da geht es um Sehnsüchte nach Tradition, nach einer guten alten Zeit, die es nie gegeben hat. Es geht es aber auch um Sehnsucht nach Zeit und sozialer Nähe. Dabei wird diese Nähe ja gerade durch das Schenken erzeugt. Man bewegt sich also im Kreis.
Das Gefühl des Übermaßes entsteht also eher dadurch, dass immer mehr Menschen sich Geschenke leisten können?
Ja, wir bewegen uns gerade bei dem Adenauer-Zitat in der Zeit des Wirtschaftswunders. Das Ritual des Schenkens demokratisiert sich sehr stark. Das heißt: Mehr Menschen haben die Möglichkeit, auch einem größeren Kreis etwas zu schenken. Das drückt sich dann in mehr Umsatz aus, was Herrn Adenauer eigentlich hätte recht sein müssen. Das drückt sich aber auch in mehr Produktwerbung aus, in Zeitungen und Schaufenstern.
Vor mehr als zehn Jahren haben Sie einmal nach Erinnerungen gesucht, die Menschen aus Westfalen mit Weihnachten verbinden. Welche erfüllten Wünsche sind bei Ihnen hängen geblieben?
Die Menschen haben über Geschenke gesprochen, die entweder heiß ersehnt waren oder unerwartet kamen. Eine aus Schlesien geflüchtete Familie, die kaum etwas hatte, fand nach der Weihnachtsmesse einen geschmückten Baum vor ihrer Haustür vor. Dieses Geschenk erwartete keine Gegenleistung. Aber aus ihm spricht das Bestreben, dass man diese Familie integrieren wollte. Eine Dame berichtete, dass Weihnachten in ihrer Familie immer mit dem Eintreffen des Otto-Katalogs begann. Dieser Katalog wurde von allen durchgeblättert und jeder machte kenntlich, was er oder sie sich wünschte. Auch der Versand des Weihnachtspäckchens an die Verwandten in der DDR spielte eine große Rolle. Da hat man hin und her überlegt, was diese Verwandten wohl wollen würden und dürfen.
Weihnachten ist also nicht nur ein Fest der großen, sondern auch der kleinen Rituale?
Ja, Weihnachten ist unglaublich traditionell. In nahezu allen Familien gibt es kleine Dinge, die nur so und nicht anders ablaufen dürfen. Wenn sich ein neues Paar findet, startet ein Aushandlungsprozess, welche Rituale der beiden Partner sich durchsetzen oder an welchen Stellen neue Ideen einfließen werden.
In einigen Familien bringt der Weihnachtsmann die Geschenke, in anderen das Christkind. Wo verläuft die Grenze?
Das geht quer durch die Konfessionen. Evangelisch oder katholisch, das spielt da überhaupt keine Rolle. Es hat eher mit familiären Traditionen zu tun.
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