Der Wolf aus Naturschutzperspektive
Aus Naturschutzperspektive ist die Sache klar: Die natürliche Rückkehr des Wolfes ist ein großer Gewinn für den Artenschutz und auch ein Beweis dafür, dass engagierte Schutzbemühungen zum Erfolg führen können. Wir hören ständig davon, dass Arten überall auf der Welt in Gefahr sind oder für immer verschwinden. In Deutschland können wir einer zuvor ausgestorbenen Tierart wieder eine Heimat bieten.
Klar fragt sich der eine oder die andere, wozu wir den Wolf denn eigentlich brauchen. Aber ist es denn wirklich an uns Menschen, Tierarten ein Lebensrecht zu- oder gar abzusprechen? Ganz sicher hat jede Tier- und Pflanzenart eine Bedeutung in unseren komplexen Ökosystemen. So nimmt der Wolf als großer Fleischfresser eine wichtige Rolle ein: Er begrenzt den Bestand seiner Beutetiere, wie Rehe, Rothirsche und Wildschweine. Auch tragen Wölfe dazu bei, die Ausbreitung von Krankheiten unter diesen Wildtierarten zu reduzieren, indem sie schwache und alte Tiere zuerst erbeuten. Viel wichtiger noch: Naturschutz ist ein hohes gesellschaftliches Gut, und als reiches, stabiles Industrieland können, ja müssen wir uns für den Schutz unserer Natur – und dazu gehören Wölfe – einsetzen.
Der wohl bedeutendste Konflikt, der sich aus der Rückkehr der Wölfe in unsere Kulturlandschaften ergibt, betrifft die Weidetierhaltung. Wölfe fressen Schafe und Ziegen, wenn diese nicht ausreichend geschützt sind. Flächendeckender Herdenschutz ist die Voraussetzung für eine Koexistenz und kann wolfsverursachte Schäden an Weidetieren maßgeblich verhindern. Was die Tierhalter dafür brauchen: Beratung, Zaunmaterial und gegebenenfalls Herdenschutzhunde, muss ihnen aus der öffentlichen Hand ersetzt werden, ebenso der mit dem Herdenschutz verbundene Arbeitsaufwand.
Die Aufgabe für unsere Gesellschaft ist möglich – auch wenn zugegebenermaßen nicht immer einfach. Deutschland hat nicht nur die Mittel, sondern auch die Verantwortung, dieses Miteinander von Mensch und Wolf zu ermöglichen.
Konflikt mit der Weidetierhaltung
Grundsätzlich hat Tobias Schult nichts gegen die Ansiedlung des Wolfs in Deutschland. Doch dann bitte mit Abstand zu Mensch und Tier! In meiner Heimat Hünxe – im Wolfsgebiet Schermbeck – in unmittelbarer Nähe des Ruhrgebiets passt er definitiv nicht.
Mit den Folgen der Rückkehr setzen wir uns hier tagtäglich auseinander. Wölfin Gloria und ihr Rudel sorgen für reichlich Unmut – vor allem bei den Weidetierhaltern. Erwiesene Risse gibt es mittlerweile zahlreiche. Die Raubtiere rücken immer näher – ohne Scheu und Zurückhaltung. Ganz im Gegenteil: Berichten zufolge zeigen sie sich zunehmend weniger beeindruckt von jeglichen Vergrämungsversuchen. Erst vor Kurzem tauchte das Rudel bei einem benachbarten Pferdebetrieb auf und ließ sich durch die Anwesenheit des Hofbesitzers nicht verscheuchen. Scheinbar haben die Wölfe mit der Zeit jeglichen Respekt verloren und gleichzeitig an Zutraulichkeit gewonnen. Diese Nähe stellt uns vor große Herausforderungen.
Auf unseren Zuchtbetrieb bezogen, blicken wir nun das dritte Jahr in Folge mit großer Sorge auf die bevorstehende Weidesaison. Unsere Stuten mit ihren Fohlen sind besonders gefährdet. Sie durch wolfsichere Zäune zu schützen, ist so gut wie nicht möglich. Zudem befinden sich die Koppeln unweit der Autobahn A3. Fühlen sich die Pferde durch die Wölfe bedroht und geraten in Panik, sind sie durch keinen Zaun mehr aufzuhalten. Meines Erachtens ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ein furchtbares Unglück passiert. Die Vorstellung von verängstigten, fliehenden Tieren auf der Autobahn, verbunden mit Schäden, möglicherweise mit Verletzten und Toten, ist katastrophal. Ganz abgesehen von der Frage, wer dafür dann haftet.
Der Wolf wird geschützt, seine Rückkehr als Erfolg gefeiert und wir Tierhalter werden so dargestellt, als wären wir zu blöd, unsere Herden vernünftig zu schützen. So gesehen ist ein friedliches Zusammenleben mit dem Wolf fast unmöglich – zumindest in dicht besiedelten Regionen. Das zeigt das Wolfsgebiet Schermbeck in aller Deutlichkeit.