Frauen auf dem Land

Bäuerinnen 1945: Arbeit ohne Ende und eine neue Rolle

Auf vielen Bauernhöfen fehlten nach dem Krieg die Ehemänner, Söhne, Knechte – die Frauen blieben meist allein verantwortlich. Amerikaner und Briten sahen die Bäuerinnen als „Demokratisierungspotential auf dem Land“.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ auf dem Land, in den Bauernfamilien tiefen Spuren. Wie in den Trümmerlandschaften der Städte und in den Industriebetrieben, so hatten auch auf den Bauernhöfen Frauen in den Kriegs- und frühen Nachkriegsjahren extreme Ausnahmesituationen bewältigen müssen. Auf vielen Höfen fehlten die Ehemänner, Söhne, Knechte – die Frauen waren meist allein verantwortlich für den Fortbestand des Betriebes.

Kriegsgefangene, Flüchtlinge, Einquartierungen, hungernde Städter, die in ihrer Not vor Plünderungen und „Feldschlachtungen“ nicht zurückschreckten: die Belastungen dieser Zeit blieben lange im Gedächtnis der Bäuerinnen haften.

„Es gibt heute viele müde Mütter in Deutschland“, stellte das schleswig-holsteinische Bauernblatt im Mai 1950 aus Anlass des „Muttertages“ rückblickend fest. „Was haben sie in den vergangenen Jahren geleistet! Es ist schwer gewesen, über allen Pflichten, die der Alltag auferlegte, um des Leibes Notdurft und Nahrung die wichtigste Pflicht nicht zu versäumen: Eine Mutter zu sein, die Zeit hatte für ihre Kinder. Und was leisten viele Frauen noch? Viele müssen den Ernährer ersetzen und haben es schwer, den Einklang zu finden zwischen dieser Pflicht und der im Haus.“

Nach 1945: Hohe Scheidungsraten auf dem Land

Die Bäuerinnen hätten sich nach diesen fundamentalen Erfahrungen daran gewöhnt, „selbstständig zu sein“, hatte das Bauernblatt im Januar 1949 resümiert – und auf diese Weise die hohen Scheidungsraten zu erklären versucht, die nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch in anderen ländlichen Regionen Westdeutschlands in den frühen Nachkriegsjahren zeitweilig nach oben geschnellt waren.

Auf den Höfen waren die unterschiedlichen Rollenansprüche aufeinandergeprallt: hier die heimkehrenden Bauern, die zum einen seelisch angeschlagen waren, zum anderen ihre traditionale Rolle unangefochtener Führungsgewalt wieder einzunehmen suchten; dort die Bäuerinnen, die – oft über mehrere Jahre hinweg – die Sorge für Familie, Haus und Hof allein getragen hatten und sich aus dieser Erfahrung heraus gestärkt sahen.

Frauen bei der Getreideernte - eine Aufnahme aus der frühen Nachkriegszeit (Bildquelle: W. Schiffer)

Das Jahrzehnt der Bäuerinnen

Nicht wenige Bäuerinnen blieben ohnehin in dieser neuen Rolle – gezwungenermaßen. Ihre Männer waren gefallen oder kehrten aus der Kriegsgefangenschaft nicht zurück. So ist zu erklären, dass die Zahl der Betriebsinhaberinnen stark anstieg:

  • 1939 waren auf westdeutschem Gebiet rund 140.000 Hofinhaberinnen gezählt worden, das entsprach einem Anteil von 12,7 %.
  • Zehn Jahre später, nach Krieg und Hungerjahren, war die Zahl der Bäuerinnen auf 194.600 (18,4 %) gestiegen.
  • Bis 1953 stieg ihre Zahl sogar auf 225.300 Inhaberinnen (19,9 %).

Nie zuvor und nie wieder wurden so viele Höfe von Frauen geleitet. Nie zuvor und nie wieder gab es in Deutschlands Landwirtschaft so viele selbständige Betriebsinhaberinnen wie in den Nachkriegsjahren und den 1950er-Jahren – das stand in deutlichem Widerspruch zu den damals gängigen Rollenbildern in der Landwirtschaft.

Die Idee der „home economics“

Bereits seit 1946 hatten sich engagierte Bäuerinnen bzw. Landfrauen zwischen Schleswig-Holstein und Bayern zusammengeschlossen und Landfrauenvereine auf Orts-, Kreis- und Landesebene ins Leben gerufen. Diese Bewegung war von den drei westlichen Besatzungsregierungen begleitet, ja auch vorangetrieben worden.

Bäuerinnen, so hieß es in einer geheimen Expertise der Amerikaner und Engländer zur Reorganisation der Landfrauenarbeit, seien „ein nicht zu unterschätzendes Demokratisierungspotential auf dem Land“, das gezielt gefördert werden müsse. Die Autorin der Denkschrift, die Amerikanerin Katherine Holtzclaw, hatte darauf hingewiesen, dass die Bäuerinnen in Deutschland bislang zu einseitig auf fachlich-hauswirtschaftliche Themen ausgerichtet gewesen seien. Nun müsse auch das staatsbürgerlich-demokratische Denken intensiv gefördert werden, um ein erneutes Aufkommen des – soeben besiegten – Nationalsozialismus zu verhindern.

„Home economics“ nannte sich dieses spezifisch amerikanische Konzept, dass Hauswirtschaft einerseits, politisches Engagement und soziale Verantwortung der Frauen in Familie, Staat und Gesellschaft andererseits eng miteinander verband. Diese Verknüpfung setzte sich deutlich von den früheren, vor allem hauswirtschaftlich orientierten ländlichen Hausfrauenvereinen ab.

Gemeinschaftskühlhäuser auf dem Dorf - in den 1950er Jahren eine der ersten technischen Fortschritte für den Landhaushalt. (Bildquelle: W. Schiffer)

Modernisierung der Hauswirtschaft

Wurzelnd in den Erfahrungen der frühen Nachkriegszeit, so bestimmte das Rezept der „home economics“ weit über die 1950er Jahre hinaus die Politik des Deutschen Landfrauenverbandes (DLV). Er setzte zunächst konsequent auf die technische Modernisierung der ländlichen Hauswirtschaft. Landfrauen trieben seit den frühen 50er Jahren die Gründung von Gemeinschaftsgefrieranlagen, Dorfwaschgenossenschaften, Gemeinschaftsbackhäusern und ähnlichen Anlagen voran.

In Einrichtungen wie dem „Haus der Bäuerin“ in Bayern, des "Dorfgemeinschaftshauses“ in Hessen und anderen regionalen Vorzeigeprojekten ließ sich die Rationalisierung und Technisierung der Hauswirtschaft zeigen und studieren. Aus Bundesmitteln, so etwa aus dem ersten „Grünen Plan“ des ersten, aus Westfalen stammenden Bundeslandwirtschaftsministers Heinrich Lübke, erhielten die Landfrauen finanzielle Unterstützung, um etwa hauswirtschaftliche Fachkurse für Bäuerinnen abzuhalten oder Arbeitskreise zu Ernährung, Vorratshaltung oder Hausgartenbau zu gründen.

Im Sinne der „home economics“ zählten auch Lehrgänge zu Rhetorik oder zur Persönlichkeitsbildung, zu Volks- und Betriebswirtschaft oder zu Fragen der politischen Bildung zum Programm der Landfrauen. Es trug dazu bei, dass sich der DLV – neben konfessionell geprägten Landvolkshochschulen, kirchlichen Vereinen und Verbänden sowie jüngeren lokalen bzw. regionalen Initiativen – zu einer der zentralen Instanzen der ländlichen Frauenbildung entwickelte.