Interview mit Deutschland-Chefin Lillie Li Valeur

Arla: "Wir wollen der Tesla in der Milchwirtschaft sein"

Die europäische Genossenschaftsmolkerei Arla will Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sein. Im Gespräch mit Deutschland-Chefin Lillie Li Valeur über Klimamaßnahmen und den Milchmarkt.

Das vergangene Milchjahr brachte Rekordpreise. Doch nun ist die Auszahlung oft schneller gesunken als erwartet. Ist die Talsohle erreicht, Frau Valeur?

Der Milchmarkt scheint sich zu stabilisieren und wir nähern uns der Talsohle. Die Talfahrt war jedoch absehbar: 2022 lagen die Milchpreise extrem hoch, die Landwirte haben mehr Milch produziert und das Angebot war sehr groß. Gleichzeitig hatten die Menschen hohe Energie- und Lebenshaltungskosten. Daraus resultierte eine niedrige Kaufkraft. Das führte zum Ungleichgewicht: Das Angebot war größer als die Nachfrage. Solchen Phasen folgt immer ein Preisschock. Aktuell sind die Preise deutlich niedriger. Das kurbelt den Markt an und sollte die Nachfrage erhöhen.

Wie viel melken die typischen Milchregionen wie Europa, die USA und Ozeanien gerade?

Die USA steigern die Milchproduktion fortlaufend. Auch, weil sie relativ lax mit Umweltstandards oder CO2-Emissionen umgehen. Die EU ist dagegen Vorreiter bei der Regulierung, wenn es um Umwelt und Nachhaltigkeitsstandards in der Landwirtschaft geht. Langfristig dürfte die Milchproduktion in Deutschland und ganz Europa sinken. Neuseeland und Australien werden immer mehr produzieren, als sie selbst konsumieren. Sie bleiben starke Exportnationen.

Wie ist die internationale Nachfrage?

China kehrt an den Markt zurück. Das belebt das Geschäft. Unsere europäischen Milchpreise waren im vergangenen Jahr so hoch, dass sie für China uninteressant waren. Die aktuell niedrigeren Rohstoffpreise kurbeln den Markt an. Mich würde nicht wundern, wenn die Milchpreise schon bald im Laufe der zweiten Jahreshälfte wieder ­etwas steigen.

Lillie Li Valeur
Seit dem 1. Mai 2022 ist Lillie Li Valeur Deutschland-Chefin der europäischen Molkereigenossenschaft Arla Foods. Mit ihren Positionen als Geschäftsführerin und Group Vice President verantwortet sie Arlas gesamtes Geschäft hierzulande. Die 52-Jährige arbeitete bereits mehr als 18 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Arla. Unter anderem hat sie einen Vertrag mit Starbucks (Lizenzmarke, gekühlter ­Kaffee) mit einer Laufzeit von 21 Jahren ausgehandelt. Außerdem verantwortete sie Arlas China-Geschäfte. Von 2020 bis 2022 war Valeur CEO bei der in Dänemark ansässigen Good Food Group.

Werfen wir einen Blick auf den Schweinemarkt. Mit der Afrikanischen Schweinepest sind die Erzeugerpreise rasant gefallen. China hat kein Fleisch mehr abgenommen. Müssten wir bei Milch Ähnliches befürchten? Ist unser Milchmarkt abhängig von China?

Nein, wir könnten auch ohne China. Im vergangenen Jahr hatten wir China kaum als Absatzmarkt und hatten Rekordpreise. Wir haben Möglichkeiten, andere Märkte zu erschließen. Hinzu kommt, dass China nie selbst genug Milch produzieren wird. Denn auch China kann nicht nur wachsen und muss sich künftig mit Umweltstandards auseinandersetzen.

Zurück nach Europa: Arla will Vorreiter sein in Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Warum?

Weil es extrem wichtig für unsere Zukunft ist. Und das Einhalten von Nachhaltigkeits- sowie Klimaschutzkriterien schon bald die „Lizenz zum Produzieren“ sein wird. Wir haben uns daher dem 1,5°-Ziel verpflichtet. Wir haben eine Klimaagenda mit ambitionierten Zielen: Bis 2050 wollen wir mit netto null Emissionen produzieren, bereits bis 2030 die Emissionen in unseren Molkereien sowie der eigenen Logistikflotte um 63 % senken und auf den Arla-Höfen pro Kilogramm Milch um 30 %. Deshalb haben wir vor drei Jahren auch den Klimacheck eingeführt.

Wäre eine Branchenlösung nicht sinnvoller als etliche molkereiindividuelle Konzepte?

Man braucht einen Pionier. Hätten wir Tesla nicht, hätten wir keine elektrischen Autos. Arla will sozusagen der Tesla der Milchbranche sein. Man...