WLV legt umfangreiches Reformprogramm vor

Das Leben und Wirtschaften auf den Höfen soll sozial, wirtschaftlich und ökologisch noch nachhaltiger werden – das ist der Kern eines Reformprogrammes "Offensive Nachhaltigkeit", das der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) vorgestellt hat.

Das Leben und Wirtschaften auf den Höfen soll sozial, wirtschaftlich und ökologisch noch nachhaltiger werden – das ist der Kern eines Reformprogrammes "Offensive Nachhaltigkeit", das der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) vorgestellt hat.

Das wird ein richtig großes Projekt: Johannes Röring und Henner Braach haben gestern die „Offensive Nachhaltigkeit“ des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) der Presse vorgestellt. Die Kernbotschaft, die der WLV-Präsident und sein Stellvertreter dabei vermittelten, war eindeutig; Die Landwirte in Westfalen-Lippe sind bereit zu Veränderung, vor allem weil sie in Teilen der Gesellschaft die Akzeptanz für die moderne Landwirtschaft verloren haben.

Gesellschaftlicher Wandel

Ziel des Aktionsplans ist, dass zwischen den Bauernfamilien und der Bevölkerung mehr Verständnis hergestellt und die landwirtschaftliche Praxis wieder akzeptiert wird. Im Mittelpunkt der Offensive stehen konkrete Projekte zu den vier Handlungsfeldern Rinderhaltung, Schweine- und Geflügelhaltung, Ackerbau und Umweltschutz sowie Soziales. Genannt werden kurz- und mittelfristige Ziele sowie Visionen für das Jahr 2030.

Die Erkenntnis, dass Veränderung notwendig ist, sei mitunter schmerzhaft gewesen, erklärte Johannes Röring, aber die Bauern stellten sich der Herausforderung, selbst angesichts der aktuell wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Röring wörtlich: „Wer ein Problem sieht, aber nichts zu dessen Lösung beiträgt, wird selbst zum Teil des Problems“. Ein tiefgreifender Wertewandel in der Gesellschaft ist unbestreitbar die Basis für deutlich gestiegene Ansprüche an die Produktionsweisen in der Landwirtschaft.

Vier Handlungsfelder
Die vier Handlungsfelder der Offensive Nachhaltigkeit gliedern sich auf in verschiedene Leitprojekte, von den einige beispielhaft genannt werden:

1. Rinderhaltung:
Verzicht auf das Enthornen (2020: 20 % genetisch hornlose Tiere, bis 2030: 50 %).
– Keine tragenden Tiere schlachten (2025 gar keine tragenden Tiere mehr zum Schlachthof).

2. Schweine-/ Geflügelhaltung:
– Ringelschwanz (2019: mehr als 10 % unkupierte Tiere).
– Betäubungslose Kastration (bis 2019 eingeführt, Eingriff durch den Landwirt).
– Tiergesundheitsindex (bis 2025 Teil der Schlachtkörperbewertung).

3. Pflanzenbau und Umwelt:
– Bedarfsgerechter Düngereinsatz (Stärkung der Nährstoffbörse, 2018 Wirtschaftsdünger-Beprobung in großem Umfang, 2025 Trendumkehr bei Grundwasser-Nitratgehalten).
– Umsetzung der Rahmenvereinbarung zum Artenschutz.

4. Soziales und Gesellschaft:
– Stärkung der Frauen in Betrieb und Berufsstand,
– Nachwuchsförderung in Betrieb und Verband,
– Sozialstandards für Arbeitnehmer in landwirtschaftlichen Betrieben und Wirtschaftskette.

Stärken und Schwächen

Henner Braach machte deutlich, dass die WLV-Offensive alles andere als ein Schnellschuss ist. Seit dem Herbst des vergangenen Jahres arbeiten Ehren- und Hauptamt daran. Eine sogenannte Fokusgruppe war für die inhaltliche Ausgestaltung verantwortlich. Darin haben mitgearbeitet die 19 Kreisverbandsvorsitzenden, die Vorsitzenden verschiedener WLV-Fachausschüsse, jeweils eine verantwortliche Person des Landfrauenverbandes, der Landjugend sowie der Landwirtschaftskammer, die beiden Hauptgeschäftsführer sowie einzelne Referenten.

Braach selbst war Vorsitzender der Fokusgruppe. Er formulierte noch ein zweites Ziel der Aktion: Das Thema Landwirtschaft soll nicht zum Spielball ideologisch-taktischer Überlegungen in den Wahlkämpfen des kommenden Jahres werden.
Selbstkritisch merkte der Vizepräsident aus Siegen-Wittgenstein an, dass die Offensive Nachhaltigkeit nur dann ein Erfolg sein kann, wenn mindestens 75 % der Landwirte die Einsicht zeigen, dass Veränderungen notwendig sind und auch die innere Bereitschaft haben, diese Veränderungen umzusetzen sowie kurz- und langfristig ein deutlich verändertes Verhalten zeigen.

Klar sei aber auch, so Braach, dass die westfälisch-lippische Landwirtschaft nicht nur Schwächen aufweist, sondern bedeutende Stärken, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Dazu gehören etwa die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln, das Fachwissen in Sachen Pflanzenbau und Nutztierhaltung, die Gestaltung und Pflege der Kulturlandschaft und das Denken und Handeln in Verantwortung für Generationen.

Im Winter überall präsent

In den kommenden Wochen und Monaten wird die Offensive Nachhaltigkeit auf Ebene aller 550 WLV-Ortsverbände vorgestellt und erörtert. Hier geht es darum, die Mitglieder im Detail zu unterrichten, worum es geht, und vor allem für die Mitarbeit zu gewinnen. Röring und Braach sind sich bewusst, dass die Diskussionen sehr lebendig sein werden. Aber, so betonen sie beide, die Glaubwürdigkeit des Ansatzes hängt ganz entscheidend davon ab, inwieweit die Landwirtschaft konkrete und nachprüfbare Projekte vorweisen kann. Von 2017 an soll es auch einen WLV-Nachhaltigkeitsbericht geben.

„Wir meinen es ernst und wissen, dass die Offensive unseren Mitgliedern eine Menge zumutet“, erklärte abschließend Johannes Röring. Veränderungen in Richtung „mehr Tierwohl“ seien in der Regel verbunden mit ökonomischen Einbußen. Solche Änderungen bräuchten nicht nur Zeit, sondern müssten dann auch über den Lebensmittelpreis bezahlt werden. Dazu braucht es die Unterstützung des Handels und der Verbraucher, nicht zuletzt aber auch eine klare Herkunftskennzeichnung.

Alles in allem, fasste Röring zusammen, gehe es um einen „geerdeten Versuch, sozial und ökologisch Erwünschtes mit dem ökonomisch Machbaren neu zu verbinden“. Anselm Richard