„Wir wollen vieles verändern“

Es war ein Programm der Gegensätze, das sich der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter, und sein Parteikollege Friedrich Ostendorff am Dienstag vergangener Woche vorgenommen hatten.

Morgens stand die Besichtigung eines Bioland-Betriebes mit 60 Mastschweinen auf Stroh auf dem Programm. Am Nachmittag folgte der Einblick in einen konventionellen Betrieb mit mehr als 3000 Tieren. Und erwartungsgemäß hatten die beiden Grünenpolitiker klare Vorstellungen davon mitgebracht, welcher von beiden Betrieben der politisch gewünschte ist.

60 Schweine auf Stroh, ...

Die Rolle der „Guten“ fiel an dem Tag dem Bioland-Bauern und Schweinehalter, Walter Höhne, und dem Bioland- und Neuland-Geschäftsführer Hugo Gödde zu. Sie öffneten in Bergkamen-Heil ihre Schweinehaltung und einen Neuland-Zerlegebetrieb für die zahlreich angereisten Journalisten.
Schweinehalter Walter Höhne hält mit seiner Familie rund 60 Mastschweine auf Stroh.

Der rund 40 Jahre alte Stall verfügt über einen Innen- und einen Außenbereich mit entsprechend unterschiedlichen Klimazonen. Pro Mastschwein schlagen, nach eigenen Angaben, rund doppelt so hohe Produktionskosten wie bei einem konventionellen Schwein zu Buche. Fragen zur Wirtschaftlichkeit beantwortete Friedrich Ostendorff eher allgemein: „Familie Höhne lebt nicht in Saus und Braus, aber sie kann davon leben“, sagte er.

Bioland-Geschäftsführer Hugo Gödde, der neben den Schweinen von Walter Höhne Tiere von rund 80 weiteren Betrieben bezieht, stellte die Vorteile des Haltungssystems heraus. Weil die Tiere mehr Platz und Spielmöglichkeiten hätten, könne auf ein Kürzen des Ringelschwanzes bei den Schweinen verzichtet werden – ohne dass es zu angeknabberten Schwänzen komme.

Laut Gödde werden nur rund 1 % der Schweine aus dem Stall von Walter Höhne mit verkürzten Schwänzen geschlachtet. Diese Statistik zeige, dass es in der Schweinehaltung auch anders gehe. Gleichzeitig räumte er ein, dass es sich bei dem Betrieb um eine absolute Nische handele. Gerade einmal auf rund 1 % Marktanteil kommt das Fleisch aus der nach eigenen Angaben „besonders artgerechten und umweltschonenden Tierhaltung“.

Auch Anton Hofreiter positionierte sich klar in die Mikrofone der eingeladenen Medienvertreter. Er argumentierte, dass die artgerechtere Haltung einen wichtigen Beitrag zum Grundwasserschutz liefere und mit ihr obendrein auf den Import von Soja aus Südamerika verzichtet werden könne. Insgesamt sei in der konventionellen Landwirtschaft in den vergangenen Jahren etwas „entglitten“, stellte Hofreiter unmissverständlich klar. Dem müsse sich die Branche endlich stellen.

... 3000 auf Vollspalten

Wenige Stunden später und rund 50 km weiter nördlich war Hofreiters Rhetorik zwar etwas weniger scharf, in der Sache aber genauso deutlich. Landwirt Theodor Schulze Wierling begrüßte unterstützt von zahlreichen Berufskollegen den Fraktionsvorsitzenden und Ostendorff auf seinem konventionellen Betrieb in Billerbeck im Kreis Coesfeld.

Schulze Wierling hält mit seiner Familie rund 3000 Mastschweine und baut gerade einen Stall mit 1300 weiteren Mastplätzen. „Wir haben nichts zu verstecken“, begrüßte der Praktiker die Politprominenz und wurde auch beim Betriebsrundgang nicht müde, für seine Wirtschaftsweise einzustehen.

„Der Ringelschwanz steht für mehr Tierschutz“, sagte Schulze Wierling, „allerdings nur in Kreisen, die von Schweinehaltung wenig Ahnung haben.“ Wenig Verständnis äußerte der Betriebsleiter auch zu Forderungen nach einer Rückkehr zur Strohhaltung – und argumentierte mit Mykotoxin-Belastungen und den Nachteilen in der Arbeitswirtschaft.

Bei anderen Fragen gab sich der Praktiker kompromissbereiter. Er und viele Berufskollegen seien bereit, kritische Bereiche der heutigen Tierhaltung anzugehen. Dies dürfe aber nicht mit der Brechstange passieren. Schulze Wierling hat im vergangenen Jahr in einem Teil seiner Ställe rund 15 000 € für mehr Tierwohl investiert, ist bei der Brancheninitiative allerdings bislang nicht zum Zuge gekommen. Bei entsprechenden Anreizen durch Förderprogramme hätte er kein Problem damit, beispielsweise rund 20 % weniger Schweine zu halten und so seinen Tieren mehr Platz zur Verfügung zu stellen. Dies müssten die Politik und die Verbraucher aber auch honorieren. mss

Den ausführlichen Bericht lesen Sie in Wochenblattausgabe 31/2015