Wiesenhof-Mäster würden auf Privathof umstellen, wenn´s bezahlt wird

Der Geflügelschlachthof Wiesenhof will mit neuer Transparenz und Offenheit auf Kritiker und Verbraucher zugehen. Wie Firmenchef Peter Wesjohann in einem Interview mit "enorm"-Autorin Kathrin Hartmann – veröffentlicht bei Spiegel Online – klarstellte, werde Wiesenhof von rund tausend selbstständigen Landwirten beliefert. „Dass es da immer zu 100 Prozent fehlerfrei läuft, wird man nicht hinkriegen. Wichtig ist, dass man Fehler schnell erkennt und abstellt. Wer Tiere quält, fliegt sofort raus“, so Wesjohann.
Wiesenhof sei die einzige Fleischmarke in Deutschland und deswegen besonders im Fokus. So gebe es bei dem Unternehmen die meisten Kontrollen in Europa. Und das baue man noch aus: „Wir haben eine neue Einstreu entwickelt, die verhindert, dass sich die Fußballen der Hühner entzünden. Wir haben auch andere Haltungssysteme nach vorne gebracht. Das Weidehähnchen mit einer Aufzuchtzeit von 56 Tagen und einem Quadratmeter Auslauf pro Tier ist mit dem Bayerischen Tierschutzpreis ausgezeichnet worden“, sagt der Geschäftsführer.
Allerdings musste die Firma das Projekt Weidehähnchen schon wieder aufgeben, weil der Kunde nicht bereit ist, 10 bis 20 Euro für ein Bio-Hähnchen mit Weideausgang zu zahlen. Dazu Wesjohann: „Ich schreibe niemandem vor, welches Fleisch er kaufen soll. Ich stelle die Angebote her, sodass jeder frei entscheiden kann. In Deutschland geben die Leute 11 % des Einkommens für Essen aus, in Frankreich 20 %. Deswegen bleibt hier das teurere Hähnchen in der Nische stecken.“
Größer ist seinen Zahlen nach die Nische der neuen Marke „Privathof“ mit 50 Mastbetrieben. Sie mache 2 bis 5 % des Absatzes aus. Bei Privathof haben die Hühner ein Drittel mehr Platz, es gibt einen Wintergarten, Strohballen, Picksteine und Stangen. Die Rasse wächst 42 Tage. Die Produktion ist dadurch fast doppelt so teuer. Damit ist der Verkaufspreis um 40 % höher, bei zerlegter Ware teilweise 70 %.
Türschützer bemängeln allerdings, dass Wiesenhof beim Tierschutzlabel, unter dem auch Privathof läuft, gerade einmal die minimalen Voraussetzungen umsetzt. Hier kontert Wesjohann, dass man Kritikern und Tierschützern die Ställe gezeigt habe. „Sie sagen, das sei eine riesige Verbesserung. Die waren bei ihren Besuchen überrascht, dass man das so gut machen kann.“
Er kritisiert, dass Tierrechtaktivisten versuchen, die Marke mit Bildern von vermeintlich schlechten Zuständen anzugreifen. Eine Organisation hatte etwa tote Tiere in einem Privathofstall dokumentiert. Dazu Wesjohann: „Egal ob Bio-Geflügel, Privathof oder konventionelle Mast: Im Schnitt sterben 2 bis 3 % der Tiere. Der Landwirt läuft jeden Tag durch seinen Stall und entfernt tote Hühner. Es kann sein, dass die Tiere nachts sterben, dann liegen sie ein paar Stunden. Dann sieht das eben so aus. Das ist vielleicht nicht für alle Augen geeignet, aber im Stall ist alles in Ordnung.“
Der Wiesenhof-Chef kündigte in dem Interview zudem an, nahezu alle Vertragsmäster von der konventionellen Haltung auf Privathof-Geflügel umzustellen. Das setze voraus, dass Verbraucher und Handel sich diese neue Form der Tierhaltung in Deutschland wünschen und bereit sind, das Mehr an Tierschutz auch finanziell zu honorieren.

Auf die übermäßig schweren Mastputen angesprochen widersprach Weshohann zunächst den Zahlen einer Studie der Uni Leipzig zu Fußballenentzündungen und Brustgeschwüren. Viele Vorwürfe stimmten in der Dramatik so nicht. In der Tat seien Verbesserungen bei Puten aber etwas schwieriger umzusetzen als bei Hähnchen, die Fachleute seien an dem Thema dran. Bis man die Tiere züchterisch so verändert hat, dass man Unterschiede sehen kann, dauere es jedoch noch sechs bis sieben Jahre.
Stolz ist die Geflügelbranche unterdessen auf die Antibiotikareduzierung um 20 %, was noch verstärkt werde. Bei den Hähnchen müssten 50 bis 60 % der Tiere nicht mehr mit Antibiotika behandelt werden. Wesjohann hofft, dass es bald 70 % sind. 100 % werde man nicht schaffen.

Branche wächst

Laut Autorin Hartmann gibt es etwa 2000 Hühner-Mastanlagen in Deutschland, weitere 900 sind geplant. Jedes Jahr werden 600 Mio. Hühner geschlachtet, 15 % mehr als die Deutschen essen. 2012/2013 habe aber jeder vierte Hähnchenmäster in Niedersachsen rote Zahlen geschrieben; der Gewinn pro Hähnchen lag schon 2005/2006 bei fünf Cent.
Hierzu stellt der Unternehmer klar, dass man nicht Angebot und Nachfrage außer Kraft setzen kann. „Die Zahlen kann ich nicht nachvollziehen. Die Hähnchenmäster verdienen je nach Marktlage zwischen 20 und 70 Cent pro Tier. Das hing 2012/2013 an den extrem hohen Futterkosten. Aber es gibt immer Landwirte, die ihren Job besser machen und solche, die ihn nicht so gut machen.“ Von einem einzigen Stall könne man natürlich nicht leben. Zwei Ställe à 40.000 Tiere könnten dagegen eine Familie ernähren, so Wesjohann. Die meisten Landwirte seien damit zufrieden.

Quelle: topagrar.com