Welche Medikamente, wenn der Wald kränkelt?

Die Zulassungen wichtiger Pflanzenschutzmittel laufen aus. Dabei vermehren sich wärmeliebende Schadinsekten massenhaft weiter. Folge: Der Wald ist bedroht.

Im Rahmen der DLG-Wintertagung in München diskutierten in einer öffentlichen Veranstaltung des DLG-Ausschusses für Forstwirtschaft Experten aus Wissenschaft, Industrie und Waldbesitz über die Notwendigkeit von Pflanzenschutzmitteln (PSM) im Wald.

Die aktuelle Bedrohungslage fasste Dr. Ralf Petercord von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft zusammen: Die Auswirkungen des Klimawandels zeichnen sich bereits heute deutlich ab. Es seien Anpassungsprozesse des Ökosystems zu erwarten, die die einzelnen Arten und ihre komplexen Beziehungen zueinander betreffen. Das Waldschutzrisiko wird durch diese Veränderungen deutlich steigen. Gleichzeitig gelangen über den Welthandel zunehmend invasive Arten nach Mitteleuropa. Auch durch diese Entwicklung verschärft sich das Waldschutzrisiko.

Wälder an den Klimawandel anpassen

Die Anpassung dieser Wälder an die neuen Klimabedingungen ist bereits im Gange. Ziel sind klimastabilere Mischbestände mit einer stärkeren Beteiligung der Laubbaumarten. Allerdings sind dem Waldumbau Grenzen gesetzt. Durch das Eschentriebsterben fällt die sehr klimastabile Baumart der Esche weitgehend aus.

Der aktive Waldschutz hat die Aufgabe, die Bestände vor Schäden zu schützen. Pflanzenschutzmittel kommen in der Regel nur zum Einsatz, wenn bestandsbedrohende Schäden prognostiziert werden oder Kulturhemmnisse bestehen. Dennoch sind Pflanzenschutzmittel als wichtige Handlungsoption dringend erforderlich, auch um den Anpassungsprozess der Forstwirtschaft an den Klimawandel unterstützen zu können. Wald wächst am besten unter Wald.

Pro Wald, nicht pro Schädling

Ein ähnliches Fazit zog der niedersächsische Waldbesitzer Fried Graf von Bernstorff. Seine großflächig vom Kiefernspinner befallenen Waldflächen starben 2014 nach Rücknahme der Befliegungsgenehmigung durch die Naturschutzbehörde zu 100 % ab. Bernstorffs Ziel bei der Neuaufforstung ist ein stabiler, mehrschichtiger Wald aus standortgerechten Nadelholzarten mit ausreichend Laubholzanteilen – ein stabiles Waldökosystem, das langfristig den Hubschrauber nicht mehr benötigt. Dieses Ziel aber lässt sich frühestens in einer Baumgeneration verwirklichen. Solange die ökologische Stabilität nicht erreicht ist, muss ein angemessener Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich bleiben.

Dr. Regina Fischer vom Industrieverband Agrar (IVA) erläuterte, dass ständig steigende regulatorische Anforderungen dazu führen, dass die Kosten für Forschung und Entwicklung steigen und immer weniger neue Pflanzenschutzwirkstoffe zur Marktreife gelangen, während der Verlust bewährter Wirkstoffe fortschreitet. Im Forstbereich gibt es zwar über 130 zugelassene Produkte. Aber die Wirkstoffpalette ist in den meisten Bereichen bereits jetzt nicht mehr ausreichend. Es drohen Resistenzen und Bekämpfungslücken. Der IVA setzt sich deshalb für ein effizientes Zulassungsverfahren, eine breite Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und für den integrierten Pflanzenschutz ein.

Pflanzenschutz hat ein schlechtes Image

Dr. Karin Reiss und Peter Hefner von der Syngenta Agro GmbH machten sich Gedanken über mögliche Wege aus der bestehenden Sackgasse. Angesichts ständig sinkender Anreize für die forschenden Pflanzenschutzunternehmen sind diese Wege allerdings spärlich. Die Pflanzenschutzunternehmen beschäftigen sich in verstärktem Maße mit der Entwicklung biologischer Pflanzenschutzmittel. Die Branche steht hier aber noch am Anfang. Insgesamt folgt der Pflanzenschutz im Forst dem gleichen Trend wie in der Landwirtschaft: Ein schlechtes Image und ein fehlendes öffentliches Bewusstsein für die Probleme in der Produktion sind die Grundübel. DLG/ks