Tierwohllabel erhitzt die Gemüter

Die Bundesregierung hat sich offenbar auf einen Gesetzentwurf für ein freiwilliges Tierwohllabel geeinigt. Das Umweltministerium darf bei den Kriterien ­mitreden. Das kritisiert der Bauernverband scharf.

Das CDU-geführte Bundeslandwirtschafts- (BMEL) und das SPD-geführte Bundesumweltministerium (BMU) ringen um Kompromisse zu einer Reihe von Landwirtschaftsthemen. Beim Tierwohllabel wollen sich die beiden Kontrahenten auf den Passus einigen, dass das Label zunächst freiwillig eingeführt wird und die Bundesregierung im Gegenzug verspricht, „die Initiative für ein EU-weites verpflichtendes Kennzeichen oder eines von einer Gruppe gleichgesinnter Mitgliedstaaten“ zu ergreifen. So steht es im überarbeiteten Gesetzentwurf, der „top agrar“ vorliegt.

BMU bei Kriterien dabei

Der Entwurf sieht ein Mitspracherecht für das BMU bei der konkreten Festlegung von Tierwohlanforderungen vor. So wird das BMEL ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates „im Einvernehmen mit dem Bundesumweltministerium“ die Einzelheiten zu den Anforderungen an die Haltung, den Transport und die Schlachtung von Tieren, die mit dem Tierwohlkennzeichen gekennzeichnet werden sollen, zu regeln und dazu Vorschriften zu erlassen. Die Verabschiedung des Gesetzes im Bundeskabinett ist für August geplant. Danach wird aber noch der Bundestag über das Gesetz beraten.

Die Abstimmung mit dem Umweltministerium stößt beim Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, auf vehemente Ablehnung: „Ich halte von dem Entwurf nichts! Was in dem Gesetzentwurf für das Tierwohllabel steht, kommt einem Offenbarungseid des Bundeslandwirtschaftsministeriums gleich“, sagte er der Funke Mediengruppe.

Ich halte von dem Entwurf nichts! Was in dem Gesetzentwurf für das Tierwohllabel steht, kommt einem Offenbarungseid des Bundeslandwirtschaftsministeriums gleich." (Joachim Rukwied, DBV-Präsident)

Das Bundeslandwirtschaftsministerium gebe originäre Kompetenzen an das Bundesumweltministerium ab, so Rukwied weiter. „Wenn solche Vorgaben nur noch im Einvernehmen mit dem Umweltministerium festgelegt werden können, das keine Kernkompetenzen in Bereichen wie Tierernährung besitzt, dann habe ich große Zweifel am Erfolg des Tierwohllabels in der Praxis“, sagte Rukwied.

Das BMEL kann hingegen die Aufregung über den Passus nicht nachvollziehen. Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens zeigte sich verwundert über Ton und Sprache des DBV-Präsidenten und wies den Vorwurf eines „Offenbarungseids“ zurück. „Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung sieht vor, dass Gesetze und Verordnungen zwischen den Ressorts abgestimmt werden, bevor sie das weitere Verfahren durchlaufen“, sagte Aeikens. Vor einer Kabinettbefassung werde immer Einvernehmen zwischen den Ressorts hergestellt. „Das Tierwohlkennzeichen-Gesetz soll auch dazu dienen, das Image der Landwirtschaft zu verbessern. Dazu tragen derartige Einlassungen sicher nicht bei“, sagte Aeikens.

Unzufrieden äußerte sich auch der Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Heinrich Dierkes. Er forderte erneut ein „schlüssiges Gesamtkonzept“ für die Nutztierhaltung. „Beim letzten Gespräch mit Frau Klöckner hatte ich den Eindruck, dass Sie verstanden hat, dass wir ein Paket brauchen, in dem alle verschiedenen Aspekte rund um dieses Thema berücksichtigt werden“, sagte er. Den jetzigen Gesetzentwurf bezeichnete Dierkes als „für die Praxis unbrauchbares Stückwerk“.

Vorwurf des Kuhhandels

Beobachter halten das Entgegenkommen des Agrarressorts für ein „politisches Tauschgeschäft“ oder einen „Kuhhandel“. Denn mit dem Tierwohllabel soll gleich ein ganzer Strauß an Vorhaben zur Landwirtschaft verabschiedet werden. Dazu gehören ein Kompromiss zum Aktionsplan Insektenschutz, zum Einsatz von Glyphosat und zu den vom BMU für die Pflanzenschutzmittelzulassung geforderten Ausgleichsflächen. Das BMU will auch diese Punkte noch im August durchs Kabinett bringen. Beim BMEL heißt es hingegen, es würde jedes Themengebiet für sich beraten und gut behandelt. Vor der Sommerpause hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel jedoch Druck gemacht und angekündigt, dass sie bis September mindestens eine Einigung für einen Ausstiegsplan für Glyphosat haben will.

Mit in das Paket könnte auch eine Regelung zur Verteilung der EU-­Agrarzahlungen für das Jahr 2020 fallen. Bis Ende des Jahres muss die Bundesregierung der EU noch melden, ob sie es auch 2020 bei den bisherigen Umschichtungen von 4,5 % der Direktzahlungen in die Zweite Säule belässt oder nicht. Die CDU/CSU war bisher dagegen, weil sie eine neuerliche Kürzung der Direktzahlungen ablehnt. Die SPD hingegen fordert seit Langem die maximal mögliche Umschichtung von 15 %, um damit mehr Agrarumweltleistungen in der Zweiten Säule zu finanzieren.

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