Schmallenberg-Virus: Wildtiere auch betroffen?

Das Schmallenberg-Virus, das derzeit in Schafherden missgebildete bzw. tot geborene Lämmer hervorruft, wurde bisher bei Rindern, Schafen und Ziegen nachgewiesen. Ob die heimischen Wildwiederkäuer für das neue Virus empfänglich sind, ist bislang nicht bekannt.

In der Literatur wird „deer“ (Hirsch) als empfänglich für das Akabane-Virus – das dem Schmallenberg-Virus am ähnlichste Virus – genannt. Der Nachweis erfolgte serologisch und die Infektion wurde als asymptomatisch (ohne Krankheitserscheinungen) bezeichnet.

Eine hypothetische Überlegung zum Risiko für heimische Wildwiederkäuer nach bisherigem Kenntnisstand ist wie folgt: Soweit das Virus über Gnitzen und Stechmücken (April bis November) übertragen wird und die „vulnerablen“, also die Entwicklungsstadien des Fetus, in denen dieser geschädigt werden kann, jenen für das Akabane-Virus entsprechen, dürften die heimischen Wildarten Reh- und Rotwild wenig betroffen sein. Denn die Zeitspanne für die entsprechenden Entwicklungsstadien der Feten liegen weitgehend außerhalb der Zeit, in denen die genannten Überträger des Virus aktiv sind. Dies könnte zutreffen, wenn für das Rehwild das vulnerable Stadium von Schafen zwischen Tag 28 und 36 (56) und für das Rotwild jenes von Rindern zwischen Tag 75 und 110 (150) angenommen wird.

Mit der Eiruhe des Rehwildes und mit drei bis vier Monaten nach dem Beschlagen des Rotwildes könnten die für eine Schädigung der Frucht empfindlichen Stechmücken-aktiven Zeit liegen. Ob eine Infektion in einem sehr frühen Entwicklungsstadium zu einem Absterben der Frucht bei kleinen oder
großen Wiederkäuern führt, ist nicht bekannt.

Das „Verschwinden“ von Kitzen kann viele Ursachen haben und beispielsweise Fuchs oder Wildschwein zugeschrieben werden, vielleicht auch dem Schmallenberg-Virus. Deshalb lautet die Bitte an alle Revierinhaber, Fallwild zur Feststellung derTodesursache in einem der Staatlichen Veterinäruntersuchungsämter
untersuchen zu lassen. Die Gebühren für die Untersuchung übernimmt die Forschungsstelle.

Ob die Hypothese zutrifft oder nicht, kann nur über eine Untersuchung und die Beobachtungen über den Zuwachs bei den Wildwiederkäuern im kommenden
Frühjahr und Sommer entschieden werden. Mit Aufgang der Jagd auf Rehböcke im Mai besteht die Möglichkeit, Blut auf Antikörper gegen das Schmallenberg-Virus serologisch prüfen zu lassen. Das weibliche Wild sollte in Hinblick auf Trächtigkeit und das Führen von Kitzen beobachtet werden. Aufzeichnungen über die Beobachtungen verschaffen eine solide Datengrundlage.

Bei Interesse kann Kontakt zur Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung, Pützchens Chaussee 228, 53229 Bonn, Tel. (02 28)
9 77 55-0, E-Mail: , aufgenommen werden.
Dr. Walburga Lutz