Wenn Windriesen fallen

Rückbau von Windkraftanlagen

In Diemelsee-Adorf hat das Unternehmen Hagedorn vier Windkraftanlagen zurückgebaut. Flügel, Türme und Betonfundamente werden in der Regel recycelt oder verschrottet, die Maschinenhäuser manchmal auch verkauft.

Nach vier Wochen ist alles weg. Dann erinnert nur noch eine frisch eingeebnete Fläche auf der Wiese daran, dass hier eine Windkraftanlage (WKA) stand und fast 20 Jahre lang Strom erzeugt hat. Ab Mitte Mai konnte man die Demontage von fünf Anlagen auf einer Hochfläche (450 m) an der hessisch-westfälischen Grenze beobachten. Oberhalb von Diemelsee-Adorf hat das Unternehmen Hagedorn vier DeWind D 6 im Auftrag der ABO Wind aus Wiesbaden abgebaut. Die fünfte Anlage gehörte der Energie Waldeck-Frankenberg GmbH. Für diesen Abbruch hatte Hagedorn keinen Zuschlag erhalten.

18 Jahre in Betrieb

Die vier DeWind, je 1 Megawatt (MW) Leistung, waren 18 Jahre in Betrieb. ABO Wind will sie durch zwei Nordex N 131 mit je 3,3 MW ersetzen. „Der Weiterbetrieb hätte sich nach 2020 nicht gelohnt. Deshalb hat sich der Besitzer für das Repowering entschieden“, erklärt Ralf Voßhenrich, Leiter der Abteilung Windkraft bei Hagedorn.

Wie muss man sich den Rückbau vorstellen? Zunächst benötigt der Betreiber eine Abbruchgenehmigung des Landkreises. Im Genehmigungsbescheid kann die Behörde Vorgaben machen, etwa zum Bodenschutz, wenn der Standort in einem Wasserschutzgebiet liegt. Zudem fordert das Umweltamt Nachweise, wohin die Abbruchstoffe gelangen. „Wir dürfen die Altmaterialien nur an zertifizierte Abnehmer abgeben und müssen dies unseren Kunden nachweisen“, sagt Voßhenrich.

Rückbau in Etappen

Der Rückbau läuft in Etappen:

  • Im ersten Schritt hievt der von Hagedorn bestellte Kran (Tageskosten: etwa 3000 €) die Rotorblätter in die Tiefe. Danach folgt die Gondel (Maschinenhaus) mit der Anlagensteuerung. Zuletzt wird der Stahl- oder Betonturm abgebaut.
  • Hagedorn setzt für den Turm Spezialmaschinen ein. Zum Beispiel Abbruchseilbagger mit Abrissbirne oder Betonschere beim Betonturm oder große Schrottscheren am Bagger bei Stahltürmen. Alternativ werden Betontürme auch gesprengt. Die vier Stahltürme in Adorf wiegen je 80 t, sie bestehen aus drei verschraubten Einzel­teilen.

Am Boden werden das Stahlrohr und weitere Bleche mit dem Schweißbrenner in Stücke zerkleinert und in einen Container verladen. (Bildquelle: Hagedorner Unternehmensgruppe)

  • Die Flügel sind aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK). Sie werden am Boden mit einer Säge zerteilt und in einen Container verladen. Hagedorn veräußert das Material zurzeit an einen Verwerter in Bremen, der es als Ersatzbrennstoff an die Zementindustrie verkauft.
  • Die Turmsegmente werden vor Ort ebenfalls per Gasbrenner oder Säge zerteilt und an den Schrotthandel verkauft. Die wertvollen Kupferkabel gehen ebenfalls in die Wiederverwertung.
  • Die Gondel mit dem Maschinenhaus wird entweder als Ganzes zumeist nach Osteuropa verkauft. Oder Teile gehen an WKA-Betreiber in Deutschland. Sie legen sich die Ersatzteile für ihre eigene Anlage zurück. Oft werden die Teile auch verschrottet.
  • Am Ende steckt noch der Betonsockel im Boden. Die Demontage kann, je nach Größe, bis zu einer Woche dauern, wenn der Bagger mit dem Hydraulikhammer anrückt. Ab einem Volumen von etwa 250 m³ bestellt Hagedorn ein Sprengteam. Die Lockerungssprengung spart Zeit, ist jedoch teuer, da im Abstand von 70 cm jeweils 1,8 m tiefe Löcher in den Beton gebohrt werden müssen. „Die Sprengung ist erst ab Fundamentgrößen von 500 m³ wirklich rentabel“, sagt Voßhenrich.
  • Die Betonbrocken gehen meistens auf eine Deponie. Im Idealfall werden sie vor Ort zerkleinert und für den Wegebau eingesetzt.

Was kostet der Abbau?

Es kommt auf die Größe der Anlage, den Standort und die Schrottpreise für den Stahl an. Die Preise für das Altmetall schwanken je nach Marktlage von 100 bis über 400 €/t. Deshalb koppelt Hagedorn auf Wunsch die Abbruchkosten an den Schrottpreisindex. Derzeit erlöst Voßhenrich für 1 t Altstahl etwa 200 €.

Ralf Voßhenrich koordiniert bei der Firma Hagedorn den Abbau der Windanlagen. Auch Landwirte und andere Grundstückseigentümer sind seine Kunden. (Bildquelle: Asbrand)

Weiter kommt es darauf an, ob ein Turm aus Stahl oder Beton abgebaut werden muss und ob der Abbruchunternehmer den Betonbruch vor Ort beim Wegebau einsetzen kann. Voßhenrich: „Der Abriss eines Betonturmes ist wesentlich teurer als der Abbau eines Stahlturmes. Der Unterschied kann im Einzelfall 100.000 bis 140.000 € ausmachen.“

Die Unternehmensgruppe Hagedorn aus Gütersloh (etwa 600 Mitarbeiter) befindet sich beim Rückbau im Wettbewerb mit anderen Anbietern. Laut Windbranche sollen ab 2020/21 bis zu 1500 Anlagen in Deutschland abgebaut werden. Höhere, leistungsstärkere Anlagen ersetzen im Regelfall die Altanlagen, sofern die Abstände zu einem Wohngebiet ausreichen und keine anderen Hürden (etwa Flugsicherung) das Repowering verhindern.

Voßhenrich: „In der Regel reichen die Rücklagen der Betreibergesellschaften aus, um den Rückbau zu bezahlen. Nur bei den mächtigen Betontürmen kann das Geld knapp werden. Manchmal können wir die Altanlagen auch komplett oder in Teilen verkaufen.“

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