Politik mit Augenmaß gefordert

Angesichts der deprimierenden Lage auf den Märkten für Schweinefleisch und Milch verbieten sich überzogene Verschärfungen im Umwelt-, Bau-, Tier- und Naturschutzrecht. Dieses Fazit zog der Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Wilhelm Brüggemeier am Donnerstag vor Journalisten in Münster.

Brüggemeier verwies im Rahmen des traditionellen Havichhorster Presseabends auf vorläufige Zahlen der landwirtschaftlichen Buchstellen. Demnach verringerte sich der durchschnittliche Gewinn der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe in Westfalen-Lippe im Wirtschaftsjahr 2014/15 auf rund 42 000 €. Das waren rund 38 % weniger als noch ein Jahr zuvor. Während Ackerbauern einen Rückgang von über 20 % und die Schweinehalter von ca. 35 % verkraften mussten, haben sich die Einkommen der Milchviehhalter im abgelaufenen Wirtschaftsjahr glatt halbiert.

Höherer Strukturwandel

Dies wird sich nach Ansicht des Verbandes auch auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft auswirken. Während in normalen Jahren rund 3 % der Betriebe ihre Hoftore für immer schließen, könnte die Zahl der Betriebsaufgaben in der kommenden Zeit auf 5 % steigen. Eine Verbesserung der miserablen Einkommenssituation durch eine Trendumkehr auf den Märkten kann der Milchviehhalter aus Ostwestfalen für die kommenden Monaten nicht erkennen. Er hatte deshalb zwei Kernforderungen im Gepäck:

  • Brüggemeier appellierte zu einer praktikablen Umsetzung der Novelle der Düngeverordnung auf Bundesebene und mehr Augenmaß beim geplanten Landesnaturschutzgesetz auf NRW-Landesebene.
  • Außerdem machte sich Brüggemeier für eine Beendigung des Handelskonflikts mit Russland stark, um die Marktlage für die Schweine- und Milchviehhalter zu entspannen.

"Dilemma der Bauern"

In Anbetracht des hohen Kostendrucks kündigte der WLV-Vize außerdem eine weiterhin intensive Debatte mit der Gesellschaft an. Brüggemeier bezeichnete es als „Dilemma der Bauern“, dass ausgerechnet das Verhalten von Nichtregierungsorganisationen, Politik und Lebensmitteleinzelhandel zu einem erhöhten Kostendruck für die Betriebe führe, was weitere Rationalisierungsmaßnahmen und einen erhöhten Strukturwandel nach sich zöge.

Brüggemeier kündigte an, der Herausforderung durch einen intensiven Dialog nach innen und außen zu begegnen. So entwickelt der WLV derzeit unter externer Begleitung einen „Change Management-Prozess“ bei dem auch Problembereiche der heutigen Landwirtschaft selbstkritisch hinterfragt werden sollen.

Initiative Tierwohl: Von der Vision zur Erbsenzählerei

Potenzial sieht der Ostwestfale außerdem im Ausbau der Initiative Tierwohl. Er zog ein positives Fazit der Proteste der Landwirte, die kurz vor Weihnachten vor zahlreichen Edeka-Filialen ihrem Ärger über die Knauserigkeit des Unternehmens Luft gemacht hatten. Brüggemeier forderte erneut: „Alle Bauern, die mitmachen wollen, sollten auch an der Aktion mitmachen dürfen.“

Dabei erinnerte er an die Worte des Bayerischen Bauernpräsidenten Walter Heidl im Rahmen des vergangenen WLV-Landesverbandsausschusses. Dieser hatte mit Blick auf den Handel und die Initiative Tierwohl gesagt: „Wir sind mit Visionären gestartet und bei Erbsenzählern gelandet.“ mss