Kompromisse statt Doppelmoral

Klöckner zu Gast in Breckerfeld

In Breckerfeld (Ennepe-Ruhr-Kreis) hat Bundesministerin Julia Klöckner zu den agrarpolitischen Brennpunkten Stellung bezogen: Die Landwirtschaft müsse sich ändern – die Verbraucher aber auch.

Nicht weniger als einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirten und Verbrauchern fordert Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ein: „Wenn die Verbraucher ihre Forderungen wirklich ernst meinen, müssen sie der Landwirtschaft eine Perspektive bieten.“Auch Johannes Röring, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), kommt in seiner Analyse zu einem ähnlichen Ergebnis. Er nehme derzeit eine große Verunsicherung vor allem bei den angehenden Landwirten wahr. „Wir müssen den jungen Leuten wieder Hoffnung machen“, so der Landwirt und Bundestagsabgeordnete.

Rund 200 Landwirte waren vergangenen Donnerstag der Einladung des WLV-Kreisverbandes Ennepe-Ruhr/Hagen und des CDU-Stadtverbandes Breckerfeld auf den Hof Baumeister im Breckerfelder Ortsteil Brenscheid gefolgt. Gemeinsam mit Klöckner und ihrem Parteikollegen Röring nahmen sie das derzeitige Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft in den Blick.

Ritt quer durch Agrarpolitik

Trotz großer Verunsicherung – auch darin waren sich Klöckner und Röring einig – zeigt die Branche eine große Veränderungsbereitschaft gegenüber den öffentlichen Erwartungen. Bröckeliger wurde die Einigkeit hingegen bei einzelnen agrarpolitischen Fragen.

Mit Blick auf die zukünftige Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik sprachen sich zwar beide für die stärkere Förderung der ersten Hektare aus. Klöckner machte aber klar, dass Direktzahlungen ohne eine Kopplung an Umwelt- und Klimavorschriften nicht mehr zu rechtfertigen seien. Röring verwies in dem Kontext auf das Spannungsfeld einer weiteren Ökologisierung und des ohnehin zunehmenden Flächenfraßes. „Wer in Deutschland Ertragsverzicht übt, der handelt langfristig gesehen ethisch nicht richtig“, so der Bauernpräsident.

Wer in Deutschland Ertragsverzicht übt, der handelt langfristig gesehen ethisch nicht richtig." (Johannes Röring, WLV-Präsident)

Im Bereich der Veredlung äußerte Röring seine Sorgen zur Zukunft der Sauenhaltung. Der Verordnungsentwurf zur Umsetzung des Kastenstand-Urteils verursache in der vorliegenden Form einen Strukturbruch, mahnte er. Klöckner verwies hingegen auf die rechtliche Bindung des Urteils und die Übergangsfrist von 15 Jahren.

Kennzeichnungspflicht?

Mit Blick auf das staatliche Tierwohllabel verteidigte Klöckner ihre freiwillige Lösung gegenüber dem niedersächsischen Vorstoß, der eine verpflichtende Kennzeichnung vorsieht. Die Einhaltung gesetzlicher Standards müsse selbstverständlich sein und nicht extra ausgezeichnet werden: „Das ist so, als würde jeder Autofahrer für das Halten an der roten Ampel gelobt.“ Zudem sei eine verpflich­tende Kennzeichnung nicht mit EU-Recht vereinbar. Röring gab an, das Label grundsätzlich zu unterstützen – ob freiwillig oder verpflichtend sei ihm dabei „völ­lig egal.“

Einig waren sich beide Politiker wieder in der Notwendigkeit, das bestehende Baugesetzbuch zu ändern. „Wenn das Baurecht mehr Tierwohl verhindert, dann müssen wir das Baugesetzbuch ändern“, so Klöckner. Die Zeichen dafür ständen gut.

Fragwürdige Debattenkultur

Letztlich, ließ Klöckner durchblicken, treibe sie vor allem die Art und Weise der aktuellen Debatten um. „Es gibt nur alles oder nichts“, kritisierte die Ministerin. „Die Anzahl von Unterschriften sagt aber noch nichts über die Qualität von Argumenten.“ Der komplette Verzicht auf Pflanzenschutzmittel beispielsweise sei wissenschaftlicher Blödsinn, auch wenn sich dafür eine Mehrheit finden ließe.

Die Anzahl von Unterschriften sagt aber noch nichts über die Qualität von Argumenten." (Julia Klöckner, Landwirtschaftsministerin)

„Wir müssen viel mehr erklären, warum was gemacht wird“, forderte Klöckner und appellierte an Kompromisse zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern. Diese seien nur schwierig, wenn jeder seinen eigenen Lebensstil beibehält und mit dem Finger auf die anderen zeigt. „Die Leute hätten am liebsten Fleisch von Tieren, die nie geschlachtet werden“, brachte Klöckner die gesellschaftliche Doppelmoral auf den Punkt.

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