Generalangriff auf Futtergesellschaften

Liefern Futterhandelsgesellschaften nur Futter an die nachgelagerten Mastbetriebe oder erbringen sie darüber hinaus auch eine Dienstleistung? An dieser Frage hängt Wohl und Wehe der betroffenen Betriebe. Denn es geht für sie um drohende Umsatzsteuerforderungen des Finanzamts in sechsstelliger Höhe.

Mit einer Verfügung hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen Mitte Juli die „Umsatzsteuerliche Behandlung der Flüssigfütterung durch Futtermittelgesellschaften in der Schweinemast“ neu definiert. Danach ist das Futter ist mit 19 % Umsatzsteuer anstelle von 7 % zu beaufschlagen, wenn es von einer zentralen Fütterungsanlage direkt bis in die Tröge der einzelnen Betriebe geliefert wird.

Bisher ist die OFD-Verfügung nur für NRW bindend. Doch die Oberfinanzdirektion NRW geht davon aus, dass die Rechtsanwendung in anderen Bundesländern entsprechend erfolgt, da sie auf den allgemeinen Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts basieren soll.

Futter oder Dienstleistung?

Zum Hintergrund: Wachsende Mastbetriebe verzichteten beim neuen Stall oft auf eine eigene Fütterung, auch wenn dieser einen rechtlich eigenständigen Betrieb bildet. Denn die vorhandene Flüssigfütterung schafft es spielend, die zusätzlichen Schweine zu versorgen. Zudem hat diese Lösung unbestreitbare Vorteile bei Einkauf, Management und Futterhygiene.

Für den Futtereinkauf gründete der Landwirt eine gewerbliche Futterhandelsgesellschaft. Diese verkaufte das fertige Flüssigfutter an die eigenständigen Mastbetriebe. Wie bei Futterlieferungen üblich, wurde das Flüssigfutter mit 7 % Umsatzsteuer beaufschlagt.

Das ging in der Vergangenheit bei Umsatzsteuerprüfungen glatt durch – bis Mitte letzten Jahres, als sich die Einschätzung der Finanzverwaltung plötzlich änderte: Die Futterhandelsgesellschaft liefere nicht nur Futter, sondern erbringt, nach Auffassung der OFD, auch sonstige Leistungen, da sie sich um Rezepturen, Futterkurven und -mengen sowie um Störungen der Fütterung kümmere. Diese Dienstleistung "infiziere" die Futterlieferung. Und das bedeutet in den Augen der Finanzbehörde: Die Futterlieferung darf nicht mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % Umsatzsteuer beaufschlagt werden, sondern muss mit dem Regelsteuersatz von 19 % in Rechnung gestellt werden – ein Unterschied von 12 %.

Die Futterhandelsgesellschaft muss die vereinnahmte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Das macht bei Futterkosten von rund 65 € knapp 8 €/Schwein aus. Die Differenz von 12 % hat gravierende Folgen für die belieferten Mastbetriebe, die bei der Umsatzsteuer pauschalieren. Diese haben keinen Anspruch auf Erstattung der höheren Umsatzsteuer. Das Futter wird für sie 12 % teurer.

Für fünf Jahre nachzahlen?

Die tatsächliche Umsetzung der OFD-Verfügung kostet betroffene Landwirte im Schnitt der letzten fünf Jahre rund 8 €/verkauftes Schwein – anwendbar auf alle „offenen Fälle“. Und offen sind Umsatzsteuerbescheide lange. Sie ergehen immer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Bestandskräftig ist ein Umsatzsteuerbescheid erst am Ende des vierten Jahres nach Abgabe der Umsatzsteuererklärung. Das bedeutet: Wird 2015 geprüft, kann das Finanzamt die Verfügung auf sämtliche Umsätze ab 2010 anwenden. Denn die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 ist im Laufe des Jahres 2011 abgegeben worden. Die Festsetzung beginnt am Ende des Abgabejahres, also Ende 2011. Die Festsetzungsverjährung tritt erst vier Jahre später ein, also am 31. Dezember 2015. Erst dann ist der Bescheid bestandskräftig. Gerburgis Brosthaus

Eine ausführlicher Hintergrundbericht samt Kommentar findet sich im aktuellen Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Folge 36/2015, vom 3. September.