Ein gezielter Tabubruch



Ein Landwirt im Oberbergischen Kreis ist Anfang dieses Jahres bei Arbeiten im Rinderstall durch einen Bullen getötet worden. Diese Nachricht hat ein bundesweites Echo gefunden, nachdem die Tierschützerin Silke Ruthenberg von der Organisation „Animal Peace“ den Bullen zum Helden erklärt und ihre Freude über dessen „Tat“ zum Ausdruck gebracht hat.

Zwei Strafanzeigen

Auf ihrer Internetseite hat Ruthenberg zum Unglück auf dem Hof in Nümbrecht geschrieben:
„Rinder-Mann, geh’ Du voran: Wieder ist ein Held aus unserer Mitte aufgestanden. Ein dreijähriger Bulle hat nahe Köln seinen Sklavenhalter angegriffen und tödlich verletzt. Der 61-jährige Landwirt wollte eine Schiebetür im Stall reparieren. Als am Abend der Sohn den Stall betrat, um die Kühe zu melken, entdeckte er die Leiche seines Vaters. Wir verneigen uns vor dem Held der Freiheit. Mögen ihm viele weitere Rinder in den Aufstand der Geknechteten folgen.“

Dieser Kommentar hat allseits blankes Entsetzen ausgelöst. Während die betroffene Familie im Oberbergischen Kreis trauert und schweigt, stellt sich Helmut Dresbach von der Kreisbauernschaft der Radikalaktivistin entgegen: „Hier wird mit einer enormen Menschenverachtung ein schreckliches Ereignis auch noch bejubelt und der Bulle, der den Landwirt getötet hat, regelrecht gefeiert“, sagte Dresbach der LZ Rheinland. Die Kreisbauernschaft hat angekündigt, Strafanzeige gegen „Animal Peace“ zu erstatten. Als Delikt steht unter anderem die Verunglimpfung eines Verstorbenen im Raum, die eine Geldstrafe oder auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren nach sich ziehen kann.

Eine zweite Strafanzeige hat die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ am 26. Januar gegen Animal Peace erstattet. Dessen Verhalten sei „widerlich und menschenverachtend und eine unerträgliche Verunglimpfung eines verstorbenen Landwirts sowie eine Beleidigung von Bauern und ihren Familien“, erklärte die AbL etwas spät, aber in seltener Einmütigkeit mit dem Bauernverband.

Ruthenberg indes zeigt sich uneinsichtig und legte sogar noch nach: Via Internet kommentierte sie vor wenigen Tagen den Ausbruch von sieben Rindern von einem Hof in Dortmund: „Weil sich nach dem heldenhaften Aufstand des Nümbrechter Bullen unter den Rindern herumgesprochen hat, dass auf die Solidarität des Tierschutzes kein echter Verlass ist, entschlossen sich weitere sieben Rinder, ihre Sache selbst in die Klaue zu nehmen.“

„Bauernschlaue Hetze“

Die Proteste und Strafanzeigen wertet Ruthenberg als „bauernschlaue Hetzkampagne von Hasspredigern“. Und mehr noch: Statt Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen, dreht sie den Spieß um und schreibt allen Ernstes: „Der Bauernverband benutzt eine trauernde Familie für ihre politischen Interessen und wiegelt nun Jäger und Bauern gegen uns auf. Warum? Wollen sie etwa bezwecken, dass ein labiler Kollege mit dem Schießgewehr loszieht, um ein zweites Charlie Hebdo zu veranstalten?“

Das alles ist wohl nur zu erklären als gut vorbereiteter, kalkulierter Tabubruch einer Aktivistin, die weiß, wie man sich – nach längerer Pause – ins öffentliche Gespräch bringt. Sie hat das offenbar nötig. „Animal Peace“ soll nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung nur noch 5.000 von einstmals 30.000 Mitgliedern haben. Der SZ gab die Tierschutz-Aktivistin auch telefonisch Auskunft auf die Frage, was sie der Witwe und ihrem Sohn sagen würde, wenn sie sich vor Gericht begegneten. Ruthenbergs Antwort: „Die Sache mit den Hinterbliebenen ist das einzige, was mir keinen Spaß macht.“

Betonharte Dummheit

Diese Antwort lässt tief blicken, sehr tief sogar. Hier hat jemand „Spaß“ am Krawall – und am großen Auftritt für sich, ohne Rücksicht auf irgendwen und irgendetwas. Selbst die Tierschützerszene ist – zumindest in Teilen – entsetzt, wie ein Blick auf deren Internetseiten zeigt. Ihnen kann das Echo in vielen überregionale Zeitungen kaum recht sein. Sogar dem „Telegraph“ in Großbritannien war die Sache einen Bericht wert.

Als einzige Zeitung hat übrigens die linksalternative „Tageszeitung“ die Vorgänge kommentiert: Animal Peace grabe sich, statt sich für das „hirnrissige Statement“ bei der Familie im Oberbergischen zu entschuldigen, weiter „in den Schützengraben“ ein und produziere „immer neue, aus Beton und Dummheit gegossene Stellungnahmen“. Und weiter schreibt das Blatt: „Immerhin wird durch solche Vorgänge klar, wer sich da alles in der Veggieszene tummelt. Dies wird zu einer Klärung und Bereinigung führen.“ Str.