Ein Bund fürs Leben

Studentenverbindungen gelten als trinkfeste Männerbünde, die sich auch nach dem Studium gegenseitige Gefallen tun. Doch stimmen diese Vorurteile? Wir waren bei den Rheno-Borussen in Bonn zu Gast.



Mancher, der den Begriff Studentenverbindung hört, denkt an betrunkene Männer, die altmodisches Gedankengut pflegen, sich beim Fechten ins Gesicht schlagen und sich nach dem Studium gegenseitig Jobs und Posten zuschachern. Doch was ist dran an diesen Klischees? Wir haben bei den Rheno-Borussen in Bonn hinter die Kulissen geschaut.

Als katholischer Studentenverein für Studenten der Agrarwissenschaft gegründet, ist die Rheno-Borussia heute eine der größten Studentenverbindungen in Bonn. Zu ihr zählen gut 40 Aktive und über 350 Alte Herren. Mitglieder müssen nicht mehr zwingend Katholiken sein oder Agrarwissenschaft studieren.

Rheno-Borussen

1896 gründeten katholische Landwirtschaftsstudenten die Rheno-Borussia - zu deutsch Rhein und Preußen - an der Poppelsdorfer Akademie in Bonn. Es kam zur Gründung, weil viele Studenten der Landwirtschaft damals nur das Zeugnis der Mittleren Reife besaßen. Damit konnten sie kein Mitglied der Bonner Verbindungen werden, da diese das Abitur verlangten.

Die Rheno-Borussia ist keine schlagende Verbindung. Das heißt die Studenten fechten nicht. Eine verbindungstypische Montur trägt nur der fünfköpfige Vorstand bei hochoffiziellen Anlässen.

Günstiges Wohnen

Doch was steckt hinter ihren drei Prinzipien Religion, Wissenschaft und Freundschaft? Das Verbindungshaus der Rheno-Borussen liegt in der Bonner Südstadt – ein eher unauffälliges Gebäude aus den 1950er Jahren. Die Tür öffnet Hermann Benning. Der 18 Jährige wohnt im Verbindungshaus und ist seit einem Semester Fux bei den Rheno-Borussen. So heißen die Neulinge in einer Verbindung.

„Für mich war es vorteilhaft, in einer neuen Stadt in eine bestehende Gemeinschaft zu kommen“, sagt der Agrarstudent, dessen Eltern einen Betrieb mit Schwerpunkt Biogas in Reken im Kreis Borken bewirtschaften.

Im Haus wohnen zwölf junge Männer. Davon sind neun Mitglied in der Verbindung. Meist haben die Bewohner ein Semester Zeit sich das Verbindungsleben anzuschauen. Entscheidet sich der Bewohner dann für die Verbindung und besteht die Fuxenprüfung, darf er maximal vier Semester im Haus wohnen.

„Wir vermieten überwiegend an Erstsemester. Sie lernen direkt Gleichgesinnte kennen und können sich gemeinsam an der Uni zurechtfinden“, erklärt Christian Conzen. Die Zimmer im Verbindungshaus sind relativ günstig. Ihre Miete liegt bei weniger als der Hälfte eines Zimmers in einem Studentenwohnheim.

Gemeinsam mit fünf anderen Bundesbrüdern sitzt er im Festsaal des Hauses. In dem holzvertäfelten Raum finden die Convente der Vereinigung statt. Zu diesen feierlichen Versammlungen sind nur die Verbindungsmitglieder zugelassen.

Lebensbundprinzip

Die Alten Herren, so heißen die ehemaligen Studenten der Verbindung, betreiben einen gemeinnützigen Verein, der die Unterkunft finanziert. Daher sind die Zimmer preiswerter als auf dem freien Wohnungsmarkt. Durch das Lebensbundprinzip – ein Grundsatz der fast alle Studentenverbindung ausmacht – sind die Alten Herren auch nach dem Studium mit dem Haus und der Aktivitas, den aktiven Studenten, verbunden.

„Wir haben in fast jedem Bereich der Agrarbranche einen Alten Herren. Die können Kontakte für Praktika herstellen“, sagt der 25-jährige Heinrich Esser, der von einem Ackerbaubetrieb mit Sonderkulturen im Kreis Düren stammt. Christian Conzen stellt aber klar: „ Es ist ein Vitamin B, das einem eine Perspektive ermöglicht. Man muss sich aber selbst beweisen. Denn auf Beziehungen ausruhen kann sich jeder, aber etwas weiterentwickeln und voranbringen, das ist die Herausforderung.“

Nur Männer als Mitglied

Zwar müssen Studenten heute keine Katholiken oder Agrarstudent mehr sein, um bei den Rheno-Borussen Mitglied zu werden, doch das Geschlecht ist immer noch entscheidend. Weder können Frauen im Verbindungshaus wohnen, noch Mitglied werden. Laut Statut ist ihnen die Mitgliedschaft verboten. Als Coleurdamen – meist sind es Kommilitoninnen und Freundinnen der Verbindungsbrüder – nehmen sie aber an fast allen Veranstaltungen der Verbindung teil – außer am Convent.

„Frauen sind zwar nicht in der Verbindung. Sie wirken aber mit“, bringt es Marius Rütt auf den Punkt, während sein Nebenmann Konstantin Kockerols gesteht: „Ich finde es auch mal schön, nur unter Jungs zu sein. Die Mädels machen doch auch ihre gemeinsamen Frauenabende.“

Nicht etwas altmodisch?

Für Heinrich Esser garantiert die Rheno-Borussia die Wahrung tradierter Werte. Er zieht einen Vergleich mit einem Schützenverein: „Da wirken ja in manchen Dingen auch ein wenig altmodisch.“ Konstantin Kockerols meint, Verbindungen werden zu Unrecht alle über einen Kamm geschoren.

„Viele Burschenschaften haben ein anderes Weltbild als wir. Wir aber sind allürenfrei“, sagt er und nimmt damit Bezug auf die eher elitäre, verschlossene und mit unter sogar offen rechte Einstellung von Burschenschaften. Er sieht in der Verbindungen etwas Romantisches: „Wo im Leben hat man heute noch dieses Lebenslange?“ Er ergänzt: „Natürlich kann man aber jederzeit austreten. Wir sind keine Sekte.“ Patrick Otte

Mehr zu den Rheno-Borussen erfahrt ihr in der aktuellen Ausgabe des Wochenblattes auf Seite 110 und 111.