Baumfalke gar nicht da?

Hat der Vogelschutz nur als Vorwand gedient, um den Bau einer Windenergie­anlage (WEA) zu verhindern?

Heinrich-Wilhelm Cosmann ist davon überzeugt. Der Landwirt hat sich zwar weitgehend vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster durchgesetzt, doch für die fast achtjährige Verzögerung gibt er der Gemeinde Bad Sassendorf die Hauptschuld. „Sie hat den Baumfalken als Ablehnungsgrund vorgeschoben. Tatsächlich brütet der Vogel gar nicht bei uns.“

E 53 auf eigenem Grund

Familie Cosmann bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb zwischen Soest und Bad Sassendorf. Etwa 100 m vom Hof steht bereits eine Enercon 44 (600 kW), die der Landwirt 2003 errichtet hat. Etwa 100 m nördlich möchten Vater und Sohn eine E 53 erneut auf eigenem Grund bauen (800 kW, 100 m Gesamthöhe). Der Standort befindet sich 60 m außerhalb des Vogelschutzgebietes „Hellwegbörde“. 350 m südlich liegt das „Oga-Wäldchen“, in dem regelmäßig einige Hundert Saatkrähen brüten.

Im Februar 2008 hatte Cosmann beim Kreis Soest einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für die WEA beantragt. Der von der Gemeinde Bad Sassendorf beauftragte Landschaftsökologe Volker S. hatte 2009 im Oga-Wäldchen jedoch den Horst eines Baumfalken entdeckt. Der vom Landwirt beauftragte Gutachter Dr. Loske dagegen hatte weder Baumfalken noch Rotmilane gesichtet. Ende November 2012 gab das Verwaltungsgericht Arnsberg Cosmanns Klage auf Erteilung eines Vorbescheides gegen den Kreis statt. Kurz darauf reichte der Landwirt den Bauantrag ein.

Gutachter als Zeugen

Gegen das Arnsberger Urteil legte der Kreis Berufung ein. Zur Verhandlung am 2. Dezember hatte Vorsitzender Richter Prof. Dr. Seibert Dr. Martin Kaiser vom Landesamt für Umweltschutz (LANUV) als sachverständigen Zeugen geladen. Er wies auf Folgendes hin: In diesem konkreten Einzelfall könne man eine Gefahr für den Baumfalken nicht ausschließen. Der Greifvogel würde vorzugsweise nach Norden zu Feuchtbiotopen bis zur Lippeaue fliegen. Auf seinem Speiseplan stünden Großlibellen und kleine Vögel. Eine zeitaufwendige Untersuchung des Standortes („vertiefte Raumnutzungsanalyse“) liege leider nicht vor, bedauerte der Vogelexperte.

Auflagen für Vogelschutz

Der Kläger und sein Anwalt Franz-Josef Tigges bestritten insbesondere die Feststellungen von Volker S. Er will 2009 den Horst des Baumfalken in einem verlassenen Nest der Saatkrähen gefunden haben. Fotos vom Horst konnte der Gutachter dem OVG aber nicht präsentieren. Auch seiner Behauptung, die Krähen würden auf der nördlichen Seite des Wäldchen brüten, widersprach Cosmann, 63, heftig: „Ihre Nester sind mitten im Wäldchen, teils im Süden. Den Baumfalken habe ich bei uns noch nie fliegen sehen.“

Trotz intensiver Bemühungen konnte das Gericht den Sachverhalt nicht aufklären. Vor diesem Hintergrund beendeten die Parteien ihren Rechtsstreit per Vergleich. Er sieht vor, dass der Kreis Soest dem Landwirt den Vorbescheid für die WEA unter Auflagen erteilt:

  • Cosmann wird seine neue Anlage während der Getreideernte abschalten. Die Stoppeln bleiben im Radius von 150 m um die Anlage stehen. Sobald er gegrubbert hat, darf die Anlage wieder laufen.
  • Der Baumfalke ist von Anfang Mai bis Ende August/Anfang September in unseren Breiten. Die restliche Zeit ist er in Afrika. Während seiner Anwesenheit schaltet Cosmann die Anlage tagsüber ab.
  • Ergeben ornithologische Begehungen, dass der Baumfalke nicht im Oga-Wäldchen brütet, kann die Anlage wieder voll ans Netz gehen. Der Kreis bestellt einen neutralen Gutachter, den Cosmann bezahlt.
  • Der Landwirt kann dem Kreis zudem ein Gutachten zur Frage vorlegen, in welchem Umfang der Rotmilan und der Baumfalke das Gebiet um die geplante WEA konkret nutzen. Geht von der Anlage keine Gefahr für die Vögel aus, kann der Kreis die Auflagen zur Abschaltung aufheben.

Neue Hürden bestehen laut Richter Seibert jetzt nicht mehr, sodass der Kreis die Baugenehmigung erteilen kann. Nach der Getreideernte 2016 könnten die Bagger rollen.

Rentabler Betrieb möglich?

Doch können die Cosmanns die nur 100 m hohe E 53 unter diesen Bedingungen wirtschaftlich betreiben? Davon gehen Vater und Sohn aus. „Für eine 150 oder 200 m hohe Anlage hätten wir keine Baugenehmigung bekommen“, sagt der Senior. Die geplante Anlage passe gut ins Landschaftsbild und stehe auf eigenem Grund. Die sonst üblichen Nutzungskosten fürs Grundstück fielen somit weg (etwa 5 % plus X der Einspeisevergütung von knapp 9 Cent).

Trotz allem ist Cosmann enttäuscht von den Behörden. „In den letzten zehn Jahren haben die Naturschutzverbände bundesweit zehn tote Baumfalken unter Windanlagen nachgewiesen. Das Risiko ist verschwindend klein. Trotzdem legt uns die Gemeinde anhand eines fadenscheinigen Gutachtens diese Steine in den Weg und bürdet uns hohe Kosten auf“ (Az. 8 A 2857/12). Armin Asbrand