Bauern behalten Lesescheine



Im Rahmen eines Rezesses (1857) war den Haus- und Hofbesitzern in Kirchborchen, Kreis Paderborn, ein Holzrecht zugesprochen worden. Die Berechtigten dürfen bis heute jeweils dienstags und freitags Raff- und Leseholz im Borchener Staatsforst (551 ha) aufsammeln und damit ihre Häuser heizen. Sammeln dürfen sie aber nur Leseholz. Sie dürfen den Wald nicht befahren und keine schneidenden Werkzeuge benutzen. Das Forstamt Paderborn gab für diesen Zweck Lesescheine aus.

Doch die Lesescheine stören die Landesregierung offensichtlich bei einem Tauschgeschäft. Einer der Berechtigten, Forstwirt Norbert M., besitzt etwa 180 ha Wald im Kreis Lippe. Er liegt in der Kulisse, die das Land eigentlich als Nationalpark Teutoburger Wald ausweisen wollte. Um an den Lipper Wald zu kommen, hat der Landesbetrieb Wald und Holz eine Planvereinbarung nach § 99 Flurbereinigungsgesetz mit Forstwirt M. geschlossen. Er sollte seinen Wald in Lippe gegen den Staatsforst in Kirchborchen/Etteln, etwa 230 ha, tauschen. Dabei jedoch störten die Holzrechte.

Rechte nicht mehr genutzt

Über ein Auseinandersetzungsverfahren nach dem Gemeinheitsteilungsgesetz und Entschädigungszahlungen (1.400 € pro Haushalt) wollte das Land NRW die Lesescheine einziehen. Das Sammeln von Raff- und Leseholz sei antiquiert und überholt. Die meisten Haushalte würden ihre Holzrechte gar nicht mehr nutzen, zudem würde man mit der Einziehung auch ökologische Ziele (Schutz des Schwarzstorches) verfolgen, hieß es in den Stellungnahmen des Landesbetriebes und der Bezirksregierung Detmold.

Die Mindener Richter ließen diese Argumente nicht gelten. Der Landesbetrieb habe nicht glaubhaft dargelegt, warum die Nutzungsrechte abgelöst werden sollten. Zwar habe der Landesbetrieb als Alternative zur Geldentschädigung die Gründung einer Waldgenossenschaft auf einer vom Forst­amt zur Verfügung gestellten Fläche ins Gespräch gebracht. Doch dieser Vorschlag sei nie realisiert worden, kritisierte das Gericht.

Auch das vom Landesbetrieb angeführte „landeskulturelle Interesse“ sei nicht nachgewiesen worden. Die maximal 69 Berechtigten hätten jahrzehntelang das Holz aufgesammelt. Streng geschützte Tierarten in den Wäldern seien dabei wohl nicht gestört worden.

Dem Verwaltungsvorgang lässt sich laut Gericht vielmehr Folgendes entnehmen: Das Land NRW habe das Auseinandersetzungsverfahren offensichtlich nur zu dem Zwecke eingeleitet, um die Probleme im Zusammenhang mit dem Flächentausch mit Forstbetrieb M. auszuräumen. „Die Konflikte wurden vorgeschoben, um das eigentliche Ziel des Grundstücktausches realisieren zu können“, heißt es im Urteil (Az. 1 K 2346/12).

Urteil ist rechtskräftig

Die beklagte Bezirksregierung hat keine Berufung eingelegt, das Mindener Urteil ist laut Anwalt Hans Georg Dalka rechtskräftig. Ob die Landesregierung an dem Tauschgeschäft mit Forstwirt M. festhält, darüber könne man nur spekulieren. „Der Waldtausch macht eigentlich keinen Sinn mehr, weil die Landesregierung die Planung für den Nationalpark Teutoburger Wald aufgegeben hat“, so der Jurist aus Paderborn. Armin Asbrand