"Ausgleich teils unsinnig"

Bei den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in die Landschaft liegt einiges im Argen / Diskussionsveranstaltung der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft in Münster

Die Landwirte in NRW und wohl auch bundesweit sind unzufrieden, wie die im Gesetz vorgeschriebenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in die Landschaft umgesetzt werden.

Das war der Tenor einer Veranstaltung in Münster, zu der die Deutsche Stiftung Kulturlandschaft eingeladen hatte. Stiftungsvorsitzender Dr. Helmut Born, lange Jahre Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbandes in Berlin, diskutierte auf Gut Havichhorst mit Experten darüber, wie man Windkraftanlagen, Umgehungsstraßen oder neue Wohn- und Gewerbegebiete so ausgleichen kann, damit die Bauern möglichst wenig Produktionsfläche verlieren.

Industriebrachen nutzen

Peter Hettlich, Abteilungsleiter Landwirtschaft beim Düsseldorfer Umweltministerium, warf einen Blick auf die großen Industriebrachen etwa entlang der Rhein-Ruhr-Schiene. Leider könne man diese Grundstücke nur bedingt für Ausgleichsmaßnahmen nutzen, weil Eigentumsfragen zu klären und die Flächen oft belastet seien. Können Landwirtschaft und Kommunen bei Reaktivierung der Fläche auf mehr Hilfe aus Düsseldorf hoffen? Diese Frage ließ der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen, der seit 25 Jahren in Leipzig lebt, leider unbeantwortet.

Die Westfälische Stiftung Kulturlandschaft bietet seit zehn Jahren Unternehmen, Straßen NRW, Kommunen usw. ihre Dienste an. Deren Eingriffe, etwa Leitungsbauten, Kraftwerke, Logistikzentren, Gewerbegebiete, werden mithilfe der Stiftung über produktionsintegrierte Maßnahmen (kurz PIK) ausgeglichen. An Beispielen zeigte Geschäftsführer Wolfgang König bisherige Erfolge. Für ein Logistikzentrum im Ruhrgebiet etwa hat man auf 3 ha kiebitzgerechte Maßnahmen auf Bergsenkungsflächen angelegt. Oder für eine 380-kV-Stromtrasse wurden 4,5 ha Flächen extensiviert, damit der Uhu seinen Lebensraum behält.

Gesetzgeber gefordert

In den Diskussionen wurde deutlich, dass auf Bundes- und Landesebene bei den Ausgleichsmaßnahmen noch vieles im Argen liegt. Der Gesetzgeber sollte für mehr Transparenz und Klarheit sorgen, hieß es. Beispiele:

Wird eine Stromtrasse etwa von Nord- nach Süddeutschland durch mehrere Bundesländer gebaut, ist die Bundesnetzagentur die Planfeststellungsbehörde. Doch für den Ausgleich sind die Landkreise vor Ort zuständig. Dabei gibt es unterschiedliche Bewertungsverfahren; zum Beispiel fehlt ein einheitlicher Bewertungsrahmen, wie die Eingriffe auszugleichen sind.

Der wohl größte „Landverbraucher“ in NRW ist Straßen NRW. Deren Vertreter indes sträuben sich, mit den zwei Stiftungen der Landesbauernverbände (RLV, WLV) zusammenzuarbeiten, damit die Bauern vor Ort möglichst wenige Flächen verlieren. Auch die Bereitschaft des Stromnetzbetreibers Amprion, mit den Stiftungen zusammenzuarbeiten, ist offensichtlich nicht sehr ausgeprägt. „Am Ende geht es doch immer ums Geld und darum, wie der Eingreifer möglichst billig davon kommt“, traf Johann Prümers, WLV-Kreisvorsitzender aus Steinfurt, den Nagel auf den Kopf.

Im Raum Köln kostet Acker inzwischen 15 €/m2, auch im Münsterland sind die Flächenpreise explodiert. Vor diesem Hintergrund fragte Prümers: „Warum verlangt der Gesetzgeber für den Bau einer Windkraftanlage überhaupt einen Landschaftsausgleich, wenn die Anlage nachweislich das Klima schützt? Das ist doch unsinnig.“

Pachtland geht verloren

Die bisherige Praxis, dass Unternehmen, Kommunen oder Straßen NRW ohne Konzept in einem begrenzten Flächen für den Ausgleich erwerben, geht immer zulasten der wirtschaftenden Betriebe. Sie verlieren ihr Pachtland, wenn die Eingreifer etwa den doppelten Preis für Acker bieten. Prümers: „Der Gesetzgeber müsste unsere Ackerflächen vor den Zugriffen der öffentlichen Hand und anderen Nutzern schützen. Auf Dauer können wir die Flächenverluste nicht verkraften.“ Armin Asbrand