800 Milchbauern in Reiste

Bei der gemeinsamen Veranstaltung der regionalen Verbände von WLV und BDM in Eslohe-Reiste (Hochsauerland) bleibt die große Verbrüderung aus. Immerhin wird die Lage der Milchbauern recht einheitlich beurteilt.

Bei der gemeinsamen Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der regionalen Verbände von WLV und BDM in Eslohe-Reiste (Hochsauerland) bleibt die große Verbrüderung aus. Aber immerhin wird die Lage der Milchbauern recht einheitlich beurteilt.

Vielleicht war Michael Erves bei seinem Schlusswort etwas zu optimistisch. "Der Graben ist zu, wir fangen neu an!", beschwor der Landwirt aus dem sauerländischen Eslohe die Einigkeit der Milcherzeuger. Ganz soweit ist es noch nicht. Aber in die politische Auseinandersetzung um den Milchmarkt ist doch etwas Bewegung gekommen. Die regionalen Repräsentanten des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) und des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) hatten immerhin gemeinsam zur Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in die Schützenhalle Reiste eingeladen – und etwa 800 Personen kamen. Aus dem Sauer- und dem Siegerland, aber auch aus dem Bergischen und noch entfernteren Regionen. Zu spüren war am Dienstagabend die Bereitschaft, miteinander zu reden und nach einer guten Lösung für alle zu suchen.

BDM für Mengenbegrenzung

Wie Bauern und Molkereien am besten aus der aktuellen Krise herauskommen, darüber herrschte auch am Ende der langen Diskussion keine Einigkeit. Der BDM sieht nach wie vor sein "Marktverantwortungsprogramm" (MVP) als einzig vernünftige Lösung der Milchkrise an. Damit soll die Produktion europaweit sehr schnell um 2 bis 3 % heruntergefahren und dann gedeckelt werden, etwa für ein Jahr. Der Lieferverzicht soll freiwillig sein, notfalls aber auch erzwungen werden. Bestandteil des vom BDM-Bundesvorsitzenden Romuald Schaber vorgestellten Programms sind Bonuszahlungen für die "folgsamen" Milcherzeuger und Strafen für die, die weiter die Mengen steigern. Das bringe den Milchmarkt wieder ins Gleichgewicht und sorge für den Erhalt der bäuerlichen Existenzen.

Diesen Ansatz hält Wilhelm Brüggemeier, Milchausschussvorsitzender und Vizepräsident des WLV, nicht für richtig. Er wies darauf hin, dass ein wissenschaftliches Gutachten die Preiswirkung des MVP als äußerst gering eingestuft habe, die Regulierung die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Landwirte gefährde und das Programm schlichtweg nicht umsetzbar sei.

Alle müssen mithelfen

Einfache Lösungen gebe es nicht, so Brüggemeier. Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, solle die Politik zunächst ein Moratorium (Stillstand) für alle Auflagen genüber der Landwirtschaft einrichten. Außerdem seien Molkereien und der Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht, den Landwirten wenigstens dadurch zu helfen, dass auf weitere Preisrücknahmen bei den kommenden Kontraktrunden verzichtet wird.

Die Bundesregierung solle weitere Hilfen gewähren, damit die Bauern die schwierige Einkommens- und Erlössituation überstehen können. Der weiteren Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel müsse außerdem endlich Einhalt geboten werden. Von der Europäischen Union fordert der Deutsche Bauernverband außerdem ein zweites Hilfspaket für die Landwirtschaft im Gesamtvolumen von rund 2 Mrd. €, dazu eine moderate Anpassung des Interventionspreisniveaus und andere flankierende Maßnahmen.

Der Weltmarkt hilft nicht

Für eine Mengenbegrenzung sprach sich auch Peter Hettlich vom Düsseldorfer Umweltministerium aus. Ein Vorschlag der sieben grünen Länderagrarminister und -senatoren sieht eine Bonuszahlung der Molkereien für die Landwirte vor, die ihre Milchanlieferung freiwillig zurückführen, ähnlich wie es FrieslandCampina vor Kurzem vorgemacht hat. Und der Bund soll am besten 2 Cent/kg drauflegen. Das FrieslandCampina-Programm hatte zuvor Berthold Hungenbach vorgestellt, der in der Kölner Unternehmensfiliale die Milchverwaltung leitet. Er sieht das Instrument allerdings nicht als geeignete Lösung für eine grundlegende Marktentlastung.

Der Weltmarkt jedenfalls sei nicht die Rettung der europäischen Milchbranche, so Hettlich. Darüber hinaus plädierte der MInisterialbeamte für eine Beratungsoffensive bei den Betrieben, die schon über längere Zeit nicht so gute ökonomische Ergebnisse erzielen.

Die Diskussion über die Referate nahm viel Zeit in Anspruch und blieb, von Ausnahmen abgesehen, weitgehend sachlich. WLV-Vizepräsident Brüggemeier hatte vielleicht die meisten kritischen Fragen zu beantworten, weil die BDM-Anhänger sich besonders aktiv beteiligten. Eine gemeinsame Linie wurde nicht gefunden; das hatte wohl auch niemand erwartet. Und doch bleibt am Ende festzuhalten: Wer miteinander redet, nähert sich an. Die Krise trifft alle Milchbauern gleich hart. ri