Perspektiven gegen Populisten

Erst Brexit, dann Trump: Die Zeichen stehen auf Abschottung, und die Welt übt sich in Erklärungsversuchen. Wie das Abstimmungsverhalten in Großbritannien und den USA zeigt, liegt eine der Ursachen im wachsenden Riss zwischen Stadt und Land.

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr reiben sich die Beobachter verwundert die Augen. Erst wenden sich die Briten am Ende einer fragwürdigen Kampagne von der EU ab, weil sie mit dem europäischen Projekt immer seltener Themen wie Frieden und Stabilität verbinden, sondern zunehmend Bürokratie und Fremdbestimmung. Dann wählen die Amerikaner einen Mann ins Weiße Haus, der offen gegen Minderheiten und Andersdenkende hetzt – und dessen zentrale Wahlversprechen der Bau einer 20 Mrd. US-$ teuren Mauer an der Grenze zu Mexiko und die Abkehr vom Welthandel sind.

Nun stehen die Zeichen auf Abschottung und die Welt übt sich in Erklärungsversuchen. Die Rede ist von der abgehängten Arbeiterklasse, dem Versagen der Eliten in Brüssel und Washington und der Verteilerfunktion sozialer Netze für Halbwahrheiten, Lügen und Hetze. Ein genauerer Blick auf das regionale Abstimmungsverhalten offenbart aber auch eine weitere Ursache: den wachsenden Riss zwischen Stadt und Land.

Die Entscheidung für den Brexit fiel nicht etwa in London oder Manchester, sondern in der ausgebluteten englischen Provinz. Der „Hassprediger“ Trump (Zitat: Außenminister Frank-Walter Steinmeier) verdankt seinen Wahlsieg keineswegs nur den häufig angeführten Stahlarbeitern von Ohio, sondern der deutlichen Mehrheit der amerikanischen Landbevölkerung.

Das lässt aufhorchen. In Deutschland fällt die Kluft zwischen Stadt und Land zwar deutlich geringer aus als in Großbritannien oder den USA. Doch auch hierzulande laufen viele Politiker dem „Megatrend“ der Urbanisierung nur allzu gerne hinterher. Und die Wahlerfolge der AfD in den dünn besiedelten Regionen Ostdeutschlands und der Siegeszug des Front National in der französischen Provinz zeigen, dass die Saat der Populisten auch dort auf fruchtbaren Boden fällt.

Wer dem entgegenwirken möchte, muss bei den Lebensbedingungen auf dem Lande ansetzen. Das beginnt bei einer familienbetriebenen Landwirtschaft, mit der sich angemessene Einkommen erzielen lassen – und die nicht zur Spielwiese für Investoren wie KTG Agrar verkommen darf. Und das endet beim Zugang zu schnellem Internet, um die Arbeitsplätze und mit ihnen die Wertschöpfung und die jungen Menschen in den Dörfern zu halten.

Die jüngsten Erfahrungen bekräftigen, dass es bei der Politik für Landwirtschaft und ländliche Räume um mehr geht als um faire Rahmenbedingungen. Eine der vielen Lehren aus Brexit und US-Wahl muss lauten: Das beste Mittel gegen Populisten bleibt hinschauen, zuhören und Perspektiven aufzeigen – gerade im ländlichen Raum.