Freihandel nach Bauchgefühl

Keine Woche vergeht, ohne dass neue Schreckensbilder zum angestrebten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) gemalt werden. Gestritten wird über emotionale Themen und Halb-Wahrheiten, wenig über Inhalte.

Keine Woche vergeht, ohne dass neue Schreckensbilder zum angestrebten Dreihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) gemalt werden. Gestritten wird über den Verzehr von Chlorhühnchen, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und die Klagerechte von Großkonzernen.

Hängen bleibt vor allem eins: Die USA versuchen uns Europäer mit dem anvisierten Freihandel gründlich über den Tisch zu ziehen – unsere über Jahrzehnte aufgebauten Umwelt- und Verbraucherstandards zu zerstören.

Wirtschaftliche Argumente fallen da schnell unter den Tisch: Die EU-Kommission rechnet im Rahmen des Abkommens mit mehr als 2 Mio. neuen Arbeitsplätzen auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Bertelsmann-Stiftung kalkuliert allein für Deutschland ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von fast 5 % und 180 .000 neue Stellen. Gerade die exportstarke deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft könnte vom Ausbau der Handelsbeziehungen profitieren.

Ob Landmaschinen oder Wurstspezialitäten: Vielen Produkten „Made in Germany“ käme ein erleichterter Zugang zum amerikanischen Markt zugute. Gerade wenn wie aktuell der Handel mit unsteten Partnern wie den Russen stottert, gilt es andere Absatzwege zu festigen. Warum nicht mit Nordamerika?

Aber was sind schon Zahlen und Sachargumente gegen die Befürchtung, bald in Chlor gebadete Hühnchen essen zu müssen? Die derzeitige Diskussion um das Freihandelsabkommen ist ein Lehrstück dafür geworden, wie mit Emotionen und Halbwahrheiten Stimmung gemacht wird.

Dabei muss man sehr wohl über die Details des Abkommens streiten. TTIP ist aus deutscher und europäischer Sicht zu begrüßen – aber selbstverständlich nicht um jeden Preis. Gerade bei Lebensmitteln ist die EU-Kommission in der Pflicht, auf Zulassungsverfahren nach europäischen Standards und eine saubere Kennzeichnung der Produkte zu drängen.

Auch der „Investorenschutz“ bleibt ein heißes Eisen. Den erwartbaren Klagen von US-Konzernen müssen die Verhandler mit klaren Regelungen einen Riegel vorschieben. Kommt es doch zu Prozessen, gehören diese nicht vor nebulöse Schiedsstellen, sondern vor ordentliche Gerichte.

Wie bei jeder erfolgreichen Verhandlung gilt es die Vorteile des Abkommens abzuschätzen, die mit ihm verbundenen Risiken abzuwägen und eine entsprechende Verhandlungslinie abzustecken. Dafür bedarf es einer nüchternen Analyse. Medienwirksam vorgetragene Bauchgefühle sind hier fehl am Platze.