Per App das Füttern planen

Das Füttern im Kuhstall ist oft eine unübersichtliche Zettelwirtschaft. Ordnung ins Chaos bringt eine App der beiden Hobby-Entwickler Janne Reisdorf und Steffen Eggers. Beide sind noch keine 20 Jahre alt.

Das Füttern im Kuhstall ist oft eine unübersichtliche Zettelwirtschaft. Ordnung ins Chaos bringt eine App der beiden Hobby-Entwickler Janne Reisdorf und Steffen Eggers. Beide sind noch keine 20 Jahre alt.

In vielen Kuhställen ist die moderne Technik nicht mehr wegzudenken: Eine automatische Fütterung versorgt die Tiere. Kleine selbstfahrende Helfer schaben die Kuhfladen durch die Spalten in den Güllekeller. Das Melken übernimmt der Melkroboter. Was jedoch die Futterberechnung angeht, hinkt die Technik hinterher. Sie dauert oft lange. Betriebsleiter und Mitarbeiter reichen Zettel hin und her. Manchmal lässt sich die Handschrift nicht entziffern oder die Zettel sind verschmutzt.

Dieses Problems haben sich zwei junge Männer angenommen: Janne Reisdorf und Steffen Eggers. Sie haben die App „FeedSync“ entwickelt. Mit diesem Programm lassen sich Futterrationen auf dem Smartphone oder Tablet berechnen. Sie werden so gesichert, dass Mitarbeiter von jedem Ort Zugriff auf diese Daten haben. Programmiert haben sie die App in ihrer Freizeit. Denn während Steffen eine Ausbildung zum Landwirt macht, büffelt Janne gerade für das Abitur.

Selbst Kühe zu Hause

Steffen steht seit Kindesbeinen im Kuhstall. Seine Eltern halten im nordfriesischen Risum-Lindholm in Schleswig-Holstein 120 Milchkühe. Zurzeit arbeitet der 17-Jährige im zweiten Jahr seiner Ausbildung auf einem Milchviehbetrieb. Er kennt das Problem nur zu gut:

Der Landwirt muss meist mit Stift und Zettel die Rationen fürs Futter berechnen. Auf Zuruf oder über das Handy erhalten die Mitarbeiter die Angaben. Dies müsste doch eleganter gehen, dachte sich Steffen. So war die Idee zu der App geboren.

Im November 2014 schaute sich der junge Mann gemeinsam mit seinem Vater auf der EuroTier in Hannover um: Gibt es schon jemand, der eine digitale Futterberechnung anbietet? „Hätte eine der großen Firmen eine passende Lösung angeboten, wäre die Idee für uns gestorben“, sagt Steffen. Doch Fehlanzeige! Steffen entdeckte auf der weltgrößten Messe für Tierhaltung keine passende App.

Damit war der Ehrgeiz von Steffen und Janne geweckt, ein eigenes Programm zu entwickeln. Den Anfang machte ein weißes Blatt Papier. Auf das zeichneten sie, wie die spätere Benutzeroberfläche der App aussehen soll. Wo sind die Eingabefelder? Wo muss der Anwender klicken?

Was kann die App?
In einer zentralen digitalen Datenbank im Internet legt der Landwirt einen Betrieb an. E-Mail-Adresse, Vor- und Nachname reichen zur Registrierung. In der Datenbank gibt er die Futterkomponenten, die Anzahl der Ställe und die Tierzahl ein. Jeder Mitarbeiter, der regelmäßig füttert, kann im AppStore oder PlayStore die FeedSync-App kaufen und sie auf sein Smartphone oder Tablet laden. Das einmalige Herunterladen kostet 0,99 €. Pro Download gehen davon 30 Cent an Google oder Apple.


Im Anschluss digitalisierten sie diese Skizze der Benutzeroberfläche. Dafür bietet zum Beispiel Apple ein Hilfsprogramm an. Danach ging es ans Eingemachte: Die Funktionen und Datenströme der App mussten programmiert werden. Zwar hatten die beiden Entwickler Grundlagen aus dem Informatik-Unterricht, doch das meiste lernten sie während des Programmierens. „Natürlich gab es einige Sackgassenmomente – Momente, in denen wir nicht weiterkamen“, gesteht Steffen.

Doch ständiges Umdenken und Ausprobieren brachte nach einem guten halben Jahr eine erste Version der App zustande. Diese Version schickten sie zu Apple. Mitarbeiter des Konzerns testeten ob das Programm funktioniert und keine Viren enthält. „Wenn Apple grünes Licht gibt, darf die App im Appstore angeboten werden“, sagt Janne. Eine App im Appstore anzubieten, kostet jährlich 99 US-Dollar. Google nimmt 30 € pro Jahr für das Angebot im Playstore.

Freunde seit der Kindheit

Doch das gemeinsame Entwickeln war nicht ganz einfach. Denn die beiden Freunde trennen knapp 400 km und gute vier Autostunden. Janne wohnt in einem Dorf in der Nähe von Hameln. Der 18-Jährige steht kurz vor dem Abitur.

Die beiden kennen sich über ihre Eltern. Steffens Mutter stammt auch aus dem Umland der Rattenfängerstadt. Beide Familien sind befreundet „Wir haben schnell gemerkt, dass wir gleiche Interessen haben: Programmieren und Webdesign“, sagt Janne.

Den Kontakt halten sie per Skype. Dort besprechen sie Probleme, erörtern Anfragen der Nutzer und planen Updates für die App. Die Anzahl der Gespräche schwankt. In manchen Wochen telefonieren sie täglich. Dann ist es wieder ruhiger. Vor allem wenn Steffen zu Hause und auf dem Betrieb stark eingespannt ist. „Zum Beispiel in der Maisernte lassen wir die Ideen erst mal liegen und kümmern uns später“, sagt der angehende Landwirt.

Neuerungen für die Software testet Steffen umgehend auf dem heimischen Betrieb. Am Futtermischwagen haben die Eggers ein Tablet, auf dem die App installiert ist. Erst wenn die Änderung ihn und seinen Vater überzeugt, wird sie auf die Nutzer losgelassen. Und die Zahl der Anwender steigt. Seitdem die App ab Mitte 2015 verfügbar ist, nutzen sie gut 300 Betriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Dabei ist egal, ob sie nur 15 Kühe füttern oder 500. Die Rationen lassen sich an die Tierzahl anpassen. Auch können die Anwender über ihren Account direkt Vorschläge zur Verbesserung schicken. So stehen Steffen und Janne im ständigen Kontakt mit ihren Kunden.

Verteilte Aufgaben

Knapp anderthalb Jahre sind vergangenen, dass aus der Idee eine verfügbare App wurde. Auch jetzt sind die beiden ständig am verbessern. „Wir stecken schon viel Zeit rein“, gesteht Janne. Mittlerweile werden sie entlastet. Ole Fischer, ein Mitschüler von Janne, gehört mit zum Team. In den ersten Monaten haben die jungen Programmierer viele Aufgaben ohne feste Zuordnung erledigt.

Jetzt hat jeder sein festes Revier: Janne kümmert sich um die App für Apple, Ole um die für Android und Steffen betreut den Internetauftritt sowie die Datenbank. „Ich hätte nie erwartet, dass die App funktioniert und genutzt wird“, sagt Steffen und ergänzt: „Es ist ein schönes Gefühl, das gemeinsam geschafft zu haben.“

Aufmerksam geworden ist mittlerweile auch die Industrie. Wurden die jungen Männer zu Beginn noch belächelt, haben sie mittlerweile erste Angebote von namenhaften Unternehmen aus der Branche. Doch ihr großes Ziel für 2016 ist die EuroTier im November. In Hannover wollen Steffen und Janne ihre App präsentieren und neue Funktionen für die Anwender bereithalten. pat