Über Ungarn zum Tiermediziner



Ein Abitur mit einer Abschlussnote von 1,0 kann Jakob nicht vorweisen. Was er aber mitbringt, sind Willensstärke und Durchhaltevermögen. Allein das ist schon viel Wert auf dem Weg zum Veterinärmediziner. Bei vielen verpufft der Traum vom Beruf als Tierarzt frühzeitig durch die Hürde des hohen Numerus clausus in Deutschland. Nicht so bei Jakob. Für ihn stand das Ziel fest, nur der Weg war noch offen. Also machte sich der Landwirtssohn vor rund zwei Jahren ohne Wohnung, ohne Rückflugticket und lediglich mit der Zusage auf einem Studienplatz an der Fakultät für Veterinärmedizin auf die Reise nach Budapest.

„Wir haben uns für sechs Tage ein Hostel von zu Hause aus in der ungarischen Hauptstadt gemietet und gehofft, dass wir zum Ende der Woche alles Wichtige geregelt haben“, erinnert er sich schmunzelnd. Denn viel Zeit war nicht. Nur eine Woche nach der Ankunft im fremden Land sollte die Uni losgehen. Wenn Jakob „wir“ sagt, spricht er von sich und dem Sohn des heimischen Hoftierarztes. „Es ging alles ganz schnell: Wir haben beide das Schreiben erhalten, dass wir in Budapest anfangen können und dann saßen wir auch schon im Flieger“, erzählt der Student.

Flucht vor dem NC

Der Plan war von Anfang an klar: Der Abstecher nach Ungarn sollte lediglich dazu dienen, das zentrale Vergabeverfahren für ein Tiermedizinstudium in Deutschland zu umgehen. Langfristig gesehen sollte immer ein Wechsel an eine deutsche Universität stattfinden. Für den damals 20-Jährigen mit einer Abiturabschlussnote von 2,4 reichte es nicht für einen Studienplatz in Deutschland. Das Staatsexamen in Tiermedizin kann in der Bundesrepublik lediglich an fünf Universitäten erworben werden.

2013, als der Sendener nach Ungarn ging, lag der Numerus clausus zwischen 1,1 und 1,7, je nachdem in welchem Bundesland er angefangen hätte. „Ich wollte einfach nicht zehn Semester lang warten und vorab eine Richtung einschlagen, die eigentlich nicht meinem Traum entspricht“, erklärt der Landwirtssohn. „Gerade für Menschen mit entsprechendem Hintergrund und der Freude am späteren Job, ist es schwierig, den NC zu akzeptieren. Meiner Meinung nach sagt er wenig über die spätere fachliche Qualifikation aus“, meint Jakob. In Ungarn erfolgt die Zulassung zum Studium nicht über eine festgelegte Abiturnote. Stattdessen schaut man hier auf die Leistungen der Bewerber im naturwissenschaftlichen Bereich. „Es sagt doch viel mehr aus, wenn ich Leistungskurse in den Fächern Biologie, Chemie und Physik belege, als wenn ich mit Leistungskursen Pädagogik und Deutsch ein 1er-Abitur schaffe und anschließend etwas Naturwissenschaftliches studiere.“

Doch der Einstieg am deutschen System vorbei ist nicht umsonst: „Klar, es ist viel teurer als ein Studium an einer deutschen Uni. Ein Jahr in Budapest kostet rund 10 000 € nur für die Uni. Aber meine Eltern und ich haben uns darauf geeinigt, dass es das wert ist“, erzählt der Student. Den günstigeren Lebenshaltungskosten, mit denen häufig geworben wird, steht Jakob eher skeptisch gegenüber. „Budapest ist eine Hauptstadt und ich kann nicht erkennen, dass Lebensmittel wesentlich günstiger sind als zu Hause.“

Fast 100 % der deutschen Studenten sind in Ungarn und warten auf die Nachricht, dass sie einen Studienplatz in der Heimat ergattert haben“, erklärt der Student. Jakob hat sich wie fast alle deutschen Studenten nach jedem Semester erneut in der Heimat auf einen Studienplatz an einer deutschen Uni beworben. „Es werden ab und an Plätze frei in höheren Semestern, beispielsweise wenn Studenten aufhören“, erzählt Jakob. Und so werden nach jedem Semester die Plätze nach Noten und Wartelisten an Studenten aus ebenfalls einem höheren Semester neu vergeben.

Eine deutsche Nummer

Bis zum Anfang des dritten Semesters dauerte es, bis auch Jakobs Telefon klingelte. „Wir warten hier alle auf den ersehnten Anruf. Bei mir kam er während einer Vorlesung.“ Jakob war gerade nach dem Ende der Semesterferien aus der Heimat wieder in Ungarn angekommen, als sein Handy eine hannoversche Vorwahl anzeigte. „Und wie der Zufall so wollte, hatte ich nur drei Tage später so oder so einen Heimflug gebucht. In Deutschland war ein langes Wochenende und ich wollte meine Familie besuchen“, erzählt Jakob. Also musste alles mal wieder ganz schnell gehen: Den Freunden Bescheid sagen, den Koffer packen, einen Nachmieter für die Wohnung suchen und ein neues Leben in Hannover organisieren – in nur drei Tagen. Denn nur fünf Tage nach dem Anruf musste Jakob persönlich in Hannover zur Immatrikulation erscheinen. Dort kam er zwar Ende Oktober etwas nach Semesterbeginn an, konnte sich aber schnell einleben. „Durch verschiedene Praktika habe ich schnell Anschluss gefunden“, erinnert sich der Student.

Hohes Ansehen

Heute steht Jakob kurz vor Beginn des vierten Semesters und bereut seine Entscheidung nicht: „Es war schon eine tolle Zeit in Ungarn. Ich habe immer noch Kontakt zu den dortigen Kommilitonen und fahre ab und an für einen Besuch in die ungarische Hauptstadt.“ Auch vom Wissensstand war Jakob mit den deutschen Studenten gleichauf: „Die Universität in Budapest ist sehr angesehen“, erklärt er. Unter den Tiermedizinern ist ein Abschluss aus Budapest angesehen und steht einem von einer deutschen Hochschule in nichts nach. CS


Den ausführlichen Beitrag gibt es in Wochenblatt-Folge 35 auf den Seiten 102 und 103.