„Wir kämpfen an allen Fronten“

Sie arbeiten bis zum Umfallen, drehen an der Kostenschraube und trotzdem rutscht das Konto immer tiefer ins Minus: Viele Höfe stecken aufgrund der ruinösen Preise in der Krise – und mit ihnen die Familien.

Simone Rieger (Name von der Redaktion geändert) ist gerädert. „Wir haben schlaflose Nächte“, sagt die Bäuerin aus dem Münsterland. Sie grübelt, wie lange der Betrieb noch mit den schlechten Preisen klar kommt. Für ein 25-kg-Ferkel gibt es aktuell 30 €. Vor zwei Jahren, als der neue Stall für 900 Sauen fertig wurde, waren es noch rund 50 €. Für Futtermittel und Energie, den Lohnunternehmer, die Besamung ihrer Sauen und den Tierarzt zahlen die Riegers noch genauso viel wie vor zwei Jahren. „Wir stecken in einer Tretmühle, aus der wir nicht mehr herauskommen“, sagt die 52-Jährige. „Wir sitzen am Ende der Nahrungskette und können den Preisdruck nicht weitergeben.“

Um das Defizit nicht weiter wachsen zu lassen, gehen die Riegers an ihre Belastungsgrenzen. „Mein Mann steht jeden morgen zwischen 4 und 5 Uhr auf. Im Büro waren wir gestern noch bis 21 Uhr.“ Größte Sorge ist, dass im Stall etwas schiefläuft. „Eine Krankheit können wir uns nicht erlauben.“

Die Krise macht krank

Auf die eigene Gesundheit nehmen die Riegers wenig Rücksicht. Sie hat Rücken- und Magenprobleme, ihr Mann vor wenigen Jahren einen Herzinfarkt gehabt. Das sind Beschwerden, die sie mit vielen Berufskollegen teilen.

„Dass wir mit dem Bau ein Risiko eingegangen sind, ist klar“, sagt Simone Rieger. „Aber wir haben unser Konzept im Vorfeld mit verschiedenen Unternehmensberatern durchgesprochen. Und alle haben uns bestärkt.“ Die Riegers haben rund 30 ha eigene Fläche und 50 ha dazugepachtet. Ein Wachstum von damals knapp 500 Sauen ins geschlossene System scheiterte an der knappen Flächenausstattung. Aus Ausbau des Betriebes schien nur über die Ferkelerzeugung möglich.

Heute haben die Riegers Angst um die Existenz ihres Hofes, obwohl die Zahlen im Stall gut sind. Im vergangenen Wirtschaftsjahr hat jede Sau im Durchschnitt 32 Ferkel bekommen. Jeden Monat müssen die Raten für den neuen Stall gezahlt werden. Zusätzlich die Gehälter für zwei Mitarbeiter und zwei Aushilfen, die im Moment unbezahlte Überstunden machen.

Mit wem die Sorgen teilen?

Im Freundeskreis sind die Riegers die einzigen Landwirte. Im Moment machen sie sich dort dünne. Ihnen steht nicht der Kopf nach einem Plausch über Weihnachtsvorbereitungen. Gesprächspartner sind vor allem die eigenen Eltern. „Die regen sich mit uns auf“, sagt Simone Rieger. Anlass dafür findet sie genug. „Wenn man die Gewinnmeldungen der Fleischkonzerne sieht, da wird mir übel.“

Von ihren drei Kindern im Teenie-Alter versucht die Bäuerin die Sorgen fern zu halten. „Aber manchmal liegen die Nerven blank und dann bekommen sie es auch mal ab.“

Ähnlich geht es zurzeit vielen Familien. In der aktuellen Ausgabe des Wochenblatts lesen Sie ab Seite 66 mehr über die Riegers und eine Familie aus Südwestfalen, der die niedrigen Milchpreise zu schaffen machen. Außerdem finden Sie ein Interview mit Irmgard Hüppe von der Ländlichen Familienberatung im Bistum Münster zum Thema.


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