Ein Kibbuz in Westfalen

Bei Wochenblatt-Recherchen für ein Ausstellungsprojekt in Dorsten entdeckt: Auf einem Hof bei Westerkappeln lernten in den Nazi-Jahren mehr als 100 jüdische Jugendliche Landwirtschaft. Das Lehrgut diente auch der Fluchthilfe.

Auf einem Hof bei Westerkappeln lernten mehr als 100 jüdische Jugendliche in den Nazi-Jahren Landwirtschaft. Das Lehrgut diente auch der Fluchthilfe. Wochenblatt-Recherchen für eine Ausstellung in Dorsten brachten die fast vergessene Geschichte ans Tageslicht.


Vom Dorfschlachter bis zum Schützenkönig, vom Mitbegründer des Landwirtschaftlichen Kreisvereins bis zum Dorfkrämer: An sie alle erinnert die Ausstellung „Heimatkunde“, die am Sonntag, 16. November, im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten eröffnet wird.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Frage nach dem Miteinander und der Nachbarschaft von Juden und Nicht-Juden in Westfalen. Beleuchtet wird unter anderem das Engagement der Minderheit in Politik und Wirtschaft, in Vereinen und Nachbarschaft sowie auch im Gemeindeleben der Städte und Dörfer Westfalens. Das Ausstellungsprojekt wird unter anderem von der LWL-Kulturstiftung für Westfalen sowie von der NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege gefördert.

Eine fast vergessene Geschichte

Der „Wochenblatt-Historiker“ Gisbert Strotdrees ist von der Projektleitung gebeten worden, für die Ausstellung und den Begleitband die vergessene Geschichte der jüdischen Landwirte und Landeigentümer in Westfalen und ihr Beitrag zur Landwirtschaft der Region zu untersuchen – ein Thema, das bereits die Wochenblatt-Serie "Hofgeschichten" angeschnitten hat. Bei den Recherchen für die Dorstener Ausstellung sind nun weitere Entdeckungen hinzukommen, darunter unter auch die Geschichte des "Kibbuz" in der Bauerschaft Westerbeck bei Westerkappeln.

Auf dem Hof existierte zwischen 1933 und 1938 ein landwirtschaftliches Lehrgut für jüdische Pfadfinder. Insgesamt 104 "Pioniere" – 32 Mädchen und 72 Jungen – haben dieses Lehrgut nach Wochenblatt-Recherchen nachweislich besucht, um anschließend die Flucht ins rettende Ausland anzutreten.

Die Flucht ermöglicht

Das Lehrgut bei Westerkappeln war eines von mindestens 31 Lehrgütern für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland. Sie ermöglichten zwischen 1933 und 1938 mehr als 18.000 jüdischen Jugendlichen die Flucht aus Hitler-Deutschland. Die Ausbildungsstätten wie in Westerkappeln waren dabei eine von wenigen Möglichkeiten, der NS-Verfolgung und dem späteren Massenmord zu entkommen.

Tipps für Besucher

"Heimatkunde – Westfälische Juden und ihre Nachbarn" lautet der Titel der Ausstellung im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten. Sie wird am Sonntag, 16. November, eröffnet und läuft bis zum 16. Mai 2015. Zahlreichen Veranstaltungen, ein Lese- und ein Hörbuch sowie eine eigenen Internetseite begleiten die Ausstellung.

Das Museum in Dorsten, Julius-Ambrunn-Str. 1, ist dienstags bis freitags von 10 bis 12.30 Uhr und 14 bis 17 Uhr geöffnet, außerdem samstags, sonntags und feiertags von 14 bis 17 Uhr. Eintritt: Erwachsene 4 €, ermäßigt 1,50 €. Weitere Informationen unter Tel. (0 23 62) 4 52 79.


www.jmw-dorsten.de

Weitere Informationen zum "Kibbuz" in Westfalen und seine Geschichte sowie zur Ausstellung in Dorsten finden sich in der aktuellen Ausgabe des Wochenblattes, Folge 45, vom 6. November 2014.