Ein Dorf macht Schule

Landauf, landab sind Grundschulen in Gefahr, weil die Kinderzahl in den Dörfern sinkt. In Langscheid im Sauerland wollten sich die Eltern damit nicht abfinden. Sie haben deshalb die „Freie Schule am See“ gegründet.

Anderthalb Kilometer den Berg hoch: Das ist der Schulweg von Tilo Meisterjahn (7) aus Langscheid, einem Ortsteil von Sundern im Sauerland. Wäre es nach dem Stadtrat gegangen, würde der Blondschopf allerdings bald in die andere Richtung zur Schule aufbrechen, in den Nachbarort Hachen.

Vor knapp drei Jahren haben die Kommunalpolitiker beschlossen, die Antoniusschule Langscheid zum 31. Juli 2015 aufzulösen. Eine Wahl blieb ihnen kaum, weil die Schülerzahl unter den Mindestwert von 92 gesunken war. Deshalb sollte Langscheid erst zum Teilstandort der Grundschule im Nachbarort werden, im Jahr 2017 dann ganz schließen. Ein Schicksal, das zurzeit zahlreiche Grundschulen in Nordrhein-Westfalen ereilt. Allein in den vergangenen zehn Jahren haben 560 dichtgemacht oder ihre Eigenständigkeit verloren. Das sind gut 16 % aller Grundschulen.

Eltern ergreifen die Initiative

Die Langscheider Eltern wollten sich mit dem Sterben auf Raten nicht abfinden. Sie machen jetzt selbst Schule und haben in ihrem 3000-Einwohner-Ort am Nordufer des Sorpesees die „Freie Schule am See“ gegründet. Insgesamt 74 Kinder gehen in die vier Klassen. Der Weg dahin hat zwei Jahre gedauert und war mit hohen Hürden gespickt. Denn wer eine freie Schule gründen will, der braucht zig Konzepte für Pädagogik, Finanzen und Organisation. Und er muss sich um alles selbst kümmern, was sonst die Stadt übernimmt, von der Gebäudeunterhaltung über Versicherungen bis zur TÜV-Abnahme für den Spielplatz.

www.freie-schule-am-see.de

Eine freie Schule gründen: Die Hürden sind hoch

Nach Artikel 7 des Grundgesetzes gibt es das Recht, private Schulen zu gründen. Dafür müssen allerdings einige Bedingungen erfüllt werden:

Staatliche Genehmigung: Die Pläne müssen durch den Staat, in diesem Fall die regional zuständige Bezirksregierung, abgesegnet werden. Dafür gibt es drei Voraussetzungen. Erstens müssen sich Lehrziele und Einrichtungen mindestens auf dem Niveau öffentlicher Schulen bewegen. Zweitens dürfen die Besitzverhältnisse der Eltern bei der Aufnahme der Schüler keine Rolle spielen. Und drittens muss die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrerinnen und Lehrer gesichert sein.

Pädagogisches Konzept: Eine Grundschule in freier Trägerschaft zu gründen, ist besonders schwierig. Wer das will, muss ein pädagogisches Konzept nachweisen, das zumindest regional einzigartig ist. In Langscheid gehören dazu ein besonderer bilingualer Unterricht, ein Programm unter dem Titel „Keine Angst vor Mathe“, Naturpädagogik und fest eingeplante Sport- und Entspannungseinheiten.

Finanzen: Nordrhein-Westfalen ist aktuell das einzige Bundesland, das Privatschulen ab dem ersten Tag fördert. In anderen Ländern müssen private Träger zwischen drei und sechs Jahren darauf warten. Das Land ersetzt der Freien Schule am See 86 % der Personal- und Sachkosten. Basis für die Berechnung sind allerdings nicht die tatsächlich entstandenen Kosten, sondern die Pauschalen, die auch für öffentliche Schulen mit größeren Klassen gelten. Die Differenz zu den tatsächlichen Kosten muss die Schule selbst aufbringen.Das geschieht über einen Elternbeitrag in Höhe von 45 € pro Kind und Monat. Inbegriffen ist in Langscheid dann bereits die Betreuung bis 13 Uhr. Für finanzschwache Familien wurde ein Sozialfonds eingerichtet, aus dem auch Bücher- und Essensgeld bezahlt werden können. Zusätzlich mussten 136 000 € als Sicherheit hinterlegt werden. Das hat das Sozialwerk für Bildung und Jugend übernommen. Die gemeinnützige GmbH, die im Sauerland bereits 27 Offene Ganztagsschulen betreibt, ist offizieller Schulträger. ahe

Den ausführlichen Beitrag gibt es in Wochenblatt-Folge 34 auf den Seiten 80 und 81.