Ein Bauer auf Sendung

Benjamin Paries moderiert die Nachrichten beim Radiosender 1Live. Mit über 30 Jahren hat er die Ausbildung zum Landwirt nachgeholt. Jetzt sucht er einen eigenen Hof – zum Teil mit dem Wohnmobil.

Benjamin Paries moderiert die Nachrichten beim Radiosender 1Live. Mit über 30 Jahren hat er die Ausbildung zum Landwirt nachgeholt. Jetzt sucht er einen eigenen Hof – zum Teil mit dem Wohnmobil.

"Zwanzig Uhr – die 1Live-Infos mit Benjamin Paries: Erstes Gold für Deutschland. Trumps Rückhalt bröckelt. Das Wetter herbstlich ...“ So beginnt eine typische Nachrichtensendung beim WDR-Radiosender 1Live. Doch die wenigsten Hörer wissen, dass dort ein gelernter Landwirt zu ihnen spricht.

Der langjährige Radiojournalist Benjamin Paries hat vor gut zwei Jahren seine Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen. Zurzeit sucht er einen eigenen Hof. Das Wochenblatt hat ihn beim Sender in Köln besucht.

Benjamin Paries empfängt mit festem Händedruck im 1Live-Haus in der Kölner Innenstadt, gute zehn Minuten zu Fuß vom Dom entfernt. Eine Menge verbautes Glas, bunte Sitzecken, elegante weiße Hocker – alles wirkt hip und kreativ in der Sendezentrale. Viel weiter könnte sich der Besucher nicht von einem Hof entfernt fühlen.

Eine gute Stunde hat Benjamin Paries Zeit für das Gespräch. Denn um elf Uhr beginnt seine Schicht. Dann sorgt er die nächsten sieben Stunden dafür, dass der Sektor – so nennen sie bei 1Live NRW – die Nachrichten aus der Welt bekommt.

Der Alltag im Sender

Die knappen drei Minuten der Nachrichten zur vollen Stunde – am Morgen auch zweimal pro Stunde – machen nur einen kleinen Teil seiner Arbeit aus. Gemeinsam mit den Kollegen der Nachrichtenredaktion sichtet er in der Zwischenzeit Agenturmeldungen. Über 3000 landen am Tag auf den Bildschirmen der Redaktion. Benjamin Paries filtert, welche Meldungen für die 1Live-Hörer relevant sind, kürzt sie auf Radioformat und bestückt sie mit Originaltönen.

Bei der Auswahl der Meldungen müssen seine Kollegen den gelernten Landwirt manchmal bremsen. Er pickt sich gerne Berichte zu Ernährung und Landwirtschaft raus, die ihm als Landwirt am Herzen liegen, aber für ein Massenpublikum zu speziell sind. Dabei hat er sich im Sender zum Experten für die Landwirtschaft gemausert. Glyphosat, Milchpreis, TTIP – Benjamin Paries kann es einordnen.

Seit knapp zehn Jahren ist er freier Mitarbeiter bei 1Live – dem Sender aus der WDR-Familie, der sich vor allem an jüngere Hörer zwischen 15 und 35 Jahren wendet. An Werktagen hören über 1 Mio. Menschen in der Stunde 1Live. Damit ist er einer der größten Sender Europas.

Eine Lehre mit 32 Jahren

„Meine Arbeit beim Radio ist ein reiner Bürojob. Ich komme so gut wie nicht raus“, sagt der 36-Jährige. Ihm fehlte aber die körperliche Arbeit und das Draußensein. Diese Sehnsucht war der Auslöser für seine späte Lehre. In seiner Kindheit half er in jeden Ferien auf dem Betrieb seines Onkels im Hunsrück. „Mein Herz hat schon immer für die Landwirtschaft geschlagen.“ Nach der Schule hatte der gebürtige Hesse sogar schon einen Ausbildungsplatz auf einem Hof. Zeitgleich wurde ihm aber ein Job beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt angeboten. Großstadt und Radio waren für den damals 17-Jährigen einfach aufregender und interessanter.

„Die Landwirtschaft hat mich aber nie losgelassen. Es war immer Thema bei mir.“ 2006 nahm er sich eine Auszeit und verbrachte drei Monate auf einer Alp in der Schweiz. Dort half er einem Bergbauern bei der täglichen Arbeit. „Das war mörderisch anstrengend, aber es hat mir viel Spaß gemacht.“ Von einem alten Bauernhaus in der Nähe seines Geburtsortes im hessischen Friedberg bei Marburg pendelte der Journalist vor seiner Ausbildung nach Köln. In dem Dorf hielt er ein wenig Kleinvieh – Ziegen, Hühner und Gänse.

Dass das nur Hobby war, merkte er, als er 2012 mit der zweijährigen Ausbildung zum Landwirt begann – das erste Jahr auf einem Bioland-Betrieb in Hennef bei Bonn mit 50 Kühen plus Nachzucht und knapp 80 ha Futterbau. „Die ersten drei Monate waren echt hart“, sagt Benjamin Paries. Die körperliche Arbeit war er nicht gewohnt. Auch für den Kopf gab es jeden Tag neue Eindrücke, die er als „Spätberufener“ verarbeiten musste. „Pünktlich um acht Uhr abends lag ich im Bett, weil ich so fertig war.“

In den ersten Monaten stand er öfters kurz davor, die Lehre zu schmeißen. Doch seine Eltern unterstützten ihn. Sie kannten seine Leidenschaft für die Landwirtschaft. „Im Nachhinein war es die beste Entscheidung weiterzumachen.“

Wichtig für ihn war, dass er seinen Job als Radiosprecher behalten konnte. Er schob pro Monat weiter sieben Dienste für 1Live – meist an den Wochenenden oder in der Spätschicht. Seine Kollegen im Sender erinnern sich, dass Benjamin Paries manchmal in Latzhose in der Konferenz saß, weil er noch melken musste.

Sein Ausbilder zeigte sich sehr flexibel, seine Radio-Schichten in den Arbeitsalltag auf dem Hof einzubauen. So auch im zweiten Jahr. Er arbeitete auf einem konventionellen Milchviehbetrieb mit 150 Kühen, 100 ha Grünland und 100 ha Acker in Lohmar im Rhein-Sieg-Kreis.

Spannend für ihn war es, beide Seiten kennenzulernen. Er selbst möchte gerne ökologisch wirtschaften, versteht aber auch die Beweggründe der konventionellen Landwirte. Gegenseitige Anfeindungen konnte er in der Berufsschule nicht nachvollziehen.

In seiner Berufsschulklasse in Bonn war er mit 32 Jahren der Senior. „Der Zweitälteste war zehn Jahre jünger.“ Anfangs verschwieg er seinen Job beim Radio. „Ich wollte keinen Promibonus.“ Irgendwann hat ihn aber ein Mitschüler gehört und auf seinen markanten Nachnamen angesprochen, der übrigens kein Künstlername ist. Zum Abschluss des Schuljahres zeigte er seiner Berufsschulklasse das 1Live-Haus.

Seinen damaligen Mitschülern rät er als Journalist: „Stellt euch nicht als Opfer der Medien dar! Ein Funke Wahrheit ist in jeder Meldung. Zeigt lieber das, was ihr gut macht – zum Beispiel, dass ihr viele Naturschutzaufgaben erfüllt und aktiv am Tierwohl mitarbeitet.“

Mobile Hofsuche

Benjamin Paries’ Ziel ist der eigene Hof. „Als Landwirt bin ich selbstständiger Unternehmer. Das finde ich total reizvoll.“ Selbstständigkeit ist auch das, was er als freier Journalist schätzen gelernt hat.

Seit fast zwei Jahren ist er auf der Suche. Er hat sich knapp 20 Betriebe vom Allgäu bis nach Norddeutschland angeschaut. Nach dem Kennenlernen arbeitet er meist eine Woche mit. „Beide Seiten merken schnell, ob die Chemie stimmt.“ Während der Suche hat er über ein Jahr im Wohnmobil gelebt. Die Betriebe, auf denen er war, mussten ihm kein Zimmer zur Verfügung stellen und einen Stellplatz hat fast jeder Hof.

Bei 1Live konnte er weiterarbeiten. „Dann habe ich das Mobil ans Rheinufer gestellt.“ Der Radiomoderator sucht einen Milchviehbetrieb, den er relativ schnell übernehmen kann. Weiterhin möchte er aber mit dem Altbauern zusammenarbeiten. Denn der kennt die Besonderheiten seiner Schläge.

Der Betrieb soll ökologisch wirtschaften oder sich umstellen lassen. Benjamin Paries möchte gerne direkt vermarkten. Deshalb sollte die nächste Stadt nicht zu weit entfernt sein. „Der Knackpunkt ist meist das Geld.“ Millionenbeträge kann er auf Anhieb nicht stemmen. Er möchte erst einen Teil anzahlen und den Rest zum Beispiel über Rentenbasis finanzieren.

Vor ein paar Wochen stand er kurz vor der Unterschrift beim Notar. Es ging um einen Hof im Schwarzwald. Der Kauf scheiterte in letzter Minute an Kleinigkeiten.

Zurzeit legt er eine Pause bei der Suche ein, ist aber weiter optimistisch. Wenn es ihn in den Fingern juckt und er melken möchte, dann fährt er zu seinem alten Lehrbetrieb in Hennef. Bauer Bernd – wie er ihn nennt – freut sich, wenn er das Melken übernimmt. Patrick Otte