Diagnose: Denkmalsüchtig

Warum kauft man ein verfallenes Bauernhaus, obwohl das eigene nach 20 Jahren Bauzeit gerade fertig ist? Antworten gibt‘s bei Karin und Johannes Busch auf dem Hof Grube in Lüdinghausen.

Unter der Treppe paddelt ein Molch. Das gerade mal 20 cm lange Tier hat sich einen alten Brunnenschacht als Zuhause erkoren. Den haben die Buschs direkt unter der Treppe ins Obergeschoss ihres uralten Bauernhauses freigelegt. Rund 3,5 m geht‘s vom Flur aus hinab. Vorm Reinfallen schützt ein schmiedeeisernes Gitter.

Hof Grube: 1000 Jahre Geschichte
Die erste Erwähnung des Hofes – auch schon unter dem Namen Grube – stammt aus dem Jahr 1339. Dass die Hofstelle noch älter ist, legt ein Pferdegrab aus dem 10. Jahrhundert nahe, das Archäologen bei ihren Untersuchungen fanden. Auch Hinweise auf einen Vorgängerbau hielten sie fest. Das jetzige Haupthaus stammt im Kern aus dem Jahr 1517. Das haben dendrochronologische Untersuchungen gezeigt, mit denen das Alter der verarbeiteten Eichenbalken bestimmt werden konnte. Das ursprünglich 19 m lange und 13 m breite Haus wurde als Vierständerbau errichtet. Das war damals sehr modern. Zumindest im ländlichen Westfalen ist das Bauernhaus das älteste Gebäude dieser Art.

Ungewöhnliche Winkel wie diesen gibt es im Wohnhaus der Familie viele. Denn vor acht Jahren haben die Buschs den Hof Grube in Lüdinghausen im Kreis Coesfeld gekauft. Seitdem gehört ihnen einer der ältesten Höfe des Münsterlandes, der lange auch einer der verfallensten war. Denn von der historischen Bedeutung der Hofstelle ahnte niemand etwas. Die Kanalbauverwaltung wollte die Gebäude abreißen, um den Aushub einer Kanalerweiterung zu lagern. Bis Johannes Busch mithilfe eines befreundeten Forschers herausfand, dass das Haus im Kern aus dem Jahr 1517 stammt. Als Luther in Wittenberg seine Thesen anschlug, wurde in Lüdinghausen ein stolzes Bauernhaus gebaut.

Lebenskarten neu mischen

Lange sind Karin und Johannes Busch, heute 56 und 58 Jahre alt, um das Haus herumgeschlichen. Dann haben sie die „Lebenskarten noch einmal neu gemischt“, wie sie selbst sagen. Ihre Kinder waren gerade zum Studium ausgezogen, da verkauften ihre Eltern ihr altes Zuhause, den ehemaligen Hof Große Aldenhövel am anderen Ende von Lüdinghausen. 22 Jahre hatten sie dort gelebt. „Auch immer kurz vor oder nach der Schubkarre“, wie Johannes Busch lachend berichtet. All ihr Erspartes steckten die Buschs in das neue Haus-Abenteuer. Dazu in vielen Jahren erworbenes planerisches und handwerkliches Geschick. Beruflich kommen sie weder aus der Landwirtschaft noch aus dem Baugewerbe. Beide sind Krankenpfleger, Fachrichtung Psychiatrie.

Zwischen Kopfschütteln und Schulterklopfen

„Habt ihr einen Knall?“, bekamen die Buschs mehr als einmal zu hören, als sie sich an ihr neues Projekt machten. „Heute gibt‘s auch schon mal ein Schulterklopfen“, berichtet Johannes Busch. Denn jetzt, nach acht Jahren Arbeit, zeigt sich: Die Mühen haben sich gelohnt.

Johannes Busch ist ein leidenschaftlicher – und auch leidensfähiger – Hausforscher. Gerade bäuerliche Bauten seien erhaltenswert, betont er. Dafür lohne sich (fast) jeder Aufwand. „Bei großen Kirchen, Stadttoren oder Burgen kann man die historische Bedeutung unschwer erkennen“, sagt er. „Aber der Großteil der Menschen ist nicht Klostervorsteher oder Burgherr gewesen, sondern hat für sie gearbeitet.“ ahe

Die ausführliche, ungekürzte Fassung dieses Berichtes veröffentlicht das Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben in seiner aktuellen Folge 6/2016 vom 11. Februar 2016.