Bäuerinnen spüren viel Druck

Wenn der Druck in Bauernfamilien groß ist, wie können Bäuerinnen im Alltag trotzdem Perspektiven entwickeln? Daran arbeiteten 65 Landfrauen auf einem Forum des Westfälisch-Lippischen Landfrauenverbandes.

Niedrige Preise, rote Zahlen auf dem Konto, negative Schlagzeilen über Landwirtschaft und Anfeindungen von Mitbürgern im Dorf – der Druck auf Bauernfamilien kommt von vielen Seiten.

Das wurde auf dem Forum des Westfälisch-Lippischen Landfrauenverbandes (WLLV) mit dem Thema „Wenn der Druck wächst: Kraft tanken, Stärken stärken, andere Wege gehen“ deutlich. Die 65 Teilnehmerinnen nutzten am Donnerstag in Appelhülsen, Kreis Coesfeld, die Möglichkeit sich auszutauschen, was sie auf den Höfen bewegt, und Perspektiven zu entwickeln trotz der für viele Bauernfamilien existenziellen Krise.

Aus dem Herzen gesprochen
Hier sind einige Gedanken der Bäuerinnen, die ihnen auf den Nägeln brennen:

„Mein Mann arbeitet und arbeitet, aber auf dem Konto wird es nicht besser. Ich habe Angst um seine Gesundheit.“

„Das Einkommen unseres Hofes reicht derzeit nicht für zwei Generationen. Unser Sohn muss auf einem anderen Hof mit einer halben Stelle arbeiten. Ob das so weitergeht?“

„Aktuell wird Geld vernichtet.“

„Ich gehe wieder arbeiten, wenn es noch enger wird.“

„Für manchen Betrieb wird ein geregelter Ausstieg aus der Landwirtschaft nicht mehr möglich sein. Dann sind gerade wir Frauen nicht abgesichert.“

„In der Landwirtschaft rechnen Handelspartner mit den Bauern ab. Wieso schreiben wir keine Rechnungen? Wir sollten uns nicht abrechnen lassen.“

„Landwirte im Dorf und in der Nachbarschaft sind Konkurrenten. Der Umgang miteinander ist nicht mehr unbescholten.“

„Wir Landwirte sitzen NICHT in einem Boot. Deshalb sind wir so schwach.“

„Im Kindergarten erlebe ich, dass andere Eltern über Landwirtschaft schimpfen. Aber wenn der Sandkasten neuen Sand braucht, sollen wir Bauern mit dem Trecker kommen.“

„Es strömt viel Ideologie auf uns ein von Medien und Verbrauchern. Irgendeinen Vorwurf spüre ich immer.“

„Leute ohne Wissen wollen uns Landwirten vom Schreibtisch aus sagen, wie wir leben und arbeiten sollen. Das frustriert mich. Es wird Vertrauen durch Misstrauen ersetzt.“

„Wir dürfen bei allen Sorgen nicht vergessen, dass es uns noch recht gut geht. Schauen wir auf die Flüchtlinge oder arme Deutsche. Sie haben kein Haus und ihnen fehlen grundlegende Dinge zum Leben.“

„Die Sorgen dürfen die Familien nicht erdrücken. Deshalb will der Landfrauenverband die Möglichkeit bieten, Erleichterungen zu suchen“, erklärte WLLV-Präsidentin Regina Selhorst in der Begrüßung.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung wurde kritisiert, dass bei Bauernversammlungen wenig davon zu spüren ist, dass den Betrieben das Wasser bis zum Hals steht.

Auf diesem Landfrauenforum wehte ein anderer Wind: Hilflos, ohnmächtig, aber auch verärgert, berichteten Bäuerinnen wie sehr die geringen Erzeugerpreise sie belasten, pauschale Anfeindungen von Verbrauchern sie betreffen oder die geplanten Vorschriften des Naturschutzgesetzes sie verunsichern (siehe Kasten).

Gelassenheit entwickeln

Die Persönlichkeitstrainerin Birgit Arnsmann von der Andreas Hermes Akademie moderierte den Tag. Sie erklärte, wie Frauen mancher „Denkfalle“ aus dem Weg gehen und wie sie sich weniger in Gesprächen mit Verbrauchern oder über Medienberichte aufregen.

Bei einem „Aufreger“ riet Arnsmann dazu, zunächst innezuhalten, bildlich „einen Schritt zurückzutreten“ und die Situation zu analysieren. Dabei ist es hilfreich, sich zu fragen, wessen Angelegenheit dieser Ärger ist: die eigene Angelegenheit, die von jemand anderem oder „Gottes Angelegenheit“. Mit Letztgenanntem ist ein Sachverhalt gemeint, den niemand beeinflussen kann. Die Referentin gab mit einem Augenzwinkern zu bedenken: „Sie sind nicht verpflichtet, sich zu ärgern!“

In einem zweiten Schritt sollte man überlegen: Warum betrifft mich das Verhalten des Nachbarn, der Schwägerin oder eines Verbrauchers? Warum geht es mir nahe? Arnsmann ergänzte für viele überraschend: „Fragen Sie sich auch, was kann ich vom anderen lernen – obwohl ich sein Verhalten oder seinen Standpunkt nicht gutheiße? Das bringt neue Perspektiven.“
Die Referentin riet nur zur Diskussion über Landwirtschaft oder ein anderes Thema, wenn das Gegenüber offen sei für Argumente. „Mischen Sie sich nur ein, wenn Sie etwas bewegen können.“ Manchmal sei es besser, den Mund zu halten, auch wenn es schwer ist.

Verhalten nicht bewerten

Petra Bentkämper, WLLV-Vizepräsidentin, forderte in einem Kurzvortrag, toleranter gegenüber dem Verhalten anderer Personen zu werden. Es gehe nicht darum, ein Verhalten als besser oder schlechter zu bewerten, sondern es sei einfach anders. „Gehen Sie davon aus, dass Sie andere Menschen nicht ändern können“, ergänzte Arnsmann.

Eine Bäuerin wollte wissen, wa­rum Sie sich so hilflos und unterlegen fühlt, wenn Landwirte in der Presse oder von Verbrauchern angefeindet werden. „Machen Sie sich bewusst, dass nicht Sie persönlich gemeint sind. So nehmen Sie für sich Druck“, erklärte die Referentin. Eine Bäuerin gab den Tipp: „Wenn ich in Diskussionen mit Verbrauchern etwas entgegne, spreche ich nur von mir persönlich und von unserem Hof.“
Hier sind Tipps für den Alltag:

Stress raubt die Zeit für neue Ideen. Deshalb ist es wichtig, Pausen zu machen und innezuhalten.
Um das Selbstbewusstsein zu stärken, notieren Sie Ihre positiven Eigenschaften. Wenn Sie ein Ziel haben, setzen Sie sich schriftlich ein Datum, bis zu dem es erreicht sein soll. Das schafft ein positives Grundgefühl.

Es nützt nichts, sich wegen der wirtschaftlichen Misere auf dem Hof zu vergraben. „Ich komme von Seminaren und Ausflügen mit neuen Ideen nach Hause, die mich stark machen für den Alltag. Außerdem habe ich etwas Abstand“, resümierte eine Landfrau.

In der Schlussrunde wurde deutlich, dass derzeit Solidarität unter den Bauernfamilien gefragt ist. „Wir sind in der Krise nicht allein. Wir müssen uns gegenseitig stärken und wollen Hilfen in der Krise finden“, sagte Selhorst. Prö