Auf der Flucht nach Westfalen

40 000 Flüchtlinge meldeten 2014 Asyl in Nordrhein-Westfalen an. Die Unterbringungsmöglichkeiten werden rar. Auch kleine Gemeinden nehmen Menschen auf. Das klappt nur mit ehrenamtlicher Hilfe.

40 000 Flüchtlinge meldeten 2014 Asyl in Nordrhein-Westfalen an. Die Unterbringungsmöglichkeiten werden rar. Auch kleine Gemeinden nehmen Menschen auf. Das klappt nur mit ehrenamtlicher Hilfe.

Wäsche, die auf einem Zaun vor der Haustür trocknet – das war das erste Anzeichen für Annegret Meyer, dass das bereitgestellte Haus für asylsuchende Menschen im Dorf nun bezogen war. Und noch etwas wurde ihr klar: „Es fehlte ein Wäscheständer.“

Eins und eins zusammenzählen, darin ist die dreifache Mutter aus Holtheim im Kreis Paderborn geübt. Sie kümmert sich zusammen mit ihrer Freundin Susanne Geilhorn ehrenamtlich um sieben Asylbewerberinnen aus Nigeria, Georgien, Albanien, Afghanistan und Angola, die Ende Oktober 2014 in das 900-Einwohner-Dorf in Ostwestfalen zogen.

Schwangere und Kinder zuerst

Nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Stadt Lichtenau wurde klar, dass neben einem Wäscheständer noch ganz andere Dinge zum Leben fehlten. Bei den Frauen wohnten nämlich noch dreijährige Zwillinge im Haus. Und zwei der Frauen waren schwanger – eine stand bei ihrer Ankunft in Holtheim kurz vor der Entbindung. Ein Wäscheständer war da die kleinste Sorge.

„Guten Tag“ auf Albanisch

Die Holtheimerinnen sammelten im Dorf Babyausstattung, Spielzeug, Geschirr und einen Wasserkocher und machten sich kurzerhand auf den Weg. Mit im Gepäck: ein „Türöffner-Satz“ auf Albanisch, den ihr ein Internetübersetzer ausgespuckt hatte: „Guten Tag, wir möchten fragen, ob Sie diese Dinge wohl gebrauchen können?“ Danach war das Eis gebrochen.

Engagement nicht selbstverständlich

Dass ihr Engagement neben einer halben Stelle im Erzbistum Paderborn, drei Kindern und einer Chorleitung keine Selbstverständlichkeit ist, davon will Annegret Meyer nichts wissen. Als Pfarrgemeinderatsmitglied findet sie, dass „so ein Problem eben auch eine Aufgabe rund um die Kirchengemeinde ist“. Und so lange sei sie noch gar nicht mit den Asylbewerbern beschäftigt. Vielleicht stehen Annegret Meyer und Susanne Geilhorn tatsächlich noch am Anfang. Aber einer musste den ersten Schritt ja machen.

Probleme: Mobilität und Langeweile

Bei allem ehrenamtlichen Engagement bleiben Probleme. Wie sollen Asylbewerber ohne Auto den Arzt in der nächsten Stadt besuchen? Oder die Einkäufe ein Dorf weiter erledigen? Und was sollen die Frauen den ganzen Tag tun – allein auf dem Dorf? Arbeiten dürfen sie nicht und das Programm im Fernsehen verstehen sie nicht. Das ist schwer auszuhalten. „Die Langeweile ist eines der gravierendsten Themen. Hier fällt den Frauen die Decke auf den Kopf,“ erzählt Annegret Meyer.

Ohne Ehrenamt gehts nicht

Der Weg nach Holtheim
2012 suchten rund 15.000 Menschen Zuflucht in NRW. 2013 waren es schon 25.000. Im Jahr 2014 meldeten 40.000 Menschen Asyl an. Sie werden anfangs in den Erstaufnahme- und Unterbringungseinrichtungen einquartiert und dann den 396 Gemeinden NRWs zugewiesen. Dort bleiben sie oft mehrere Jahre, bis auf Bundesebene über ihren Asylantrag entschieden ist.

Die Kommunen sind überlastet. In Holtheim hat sich ein Schneeballsystem der Hilfsbereitschaft gebildet. „Natürlich gibt es auch dumme Sprüche, wieso die Asylbewerberinnen Spenden bräuchten – ein Handy könnten sie sich doch leisten.“ Aber das sind Einzelfälle. Vor allem die Tatsache, dass in Holtheim junge Frauen mit süßen Kindern untergebracht sind, erleichtere das Zusammenleben. Ein paar Dörfer weiter wohnen zwanzig erwachsene Männer in einem Haus – da gäbe es auch kritischere Töne aus der Nachbarschaft.

Erste Erfolge

Auch beim Problem-Thema „Mobilität“ tut sich was. In Holtheim wurde für Senioren ein Shuttleservice eingerichtet, der für Supermarkt-, Bank- oder Arztbesuche nach Lichtenau fährt. Der soll jetzt kostenfrei für die Asylbewerberinnen zugänglich werden. Das muss ihnen nur noch jemand auf georgisch, nigerianisch, persisch und albanisch vermitteln. Eva Piepenbrock

Den kompletten Bericht mit Hintergrundinformationen finden Sie in Wochenblatt-Ausgabe 2.