Mit der Kamera über Land

Der westfälische Zoologe Hermann Reichling war einer der Ersten, der sich vor gut 100 Jahren mit der Kamera in die freie Landschaft traute. Seine Fotos sind in Münster zu sehen.

Natur fotografieren oder gar in bewegten Bildern filmen? Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, galt vor gut 100 Jahren noch als eine besonders verwegene Art, sein Geld aus dem Fenster zu werfen. Fotografieren galt als technischer Luxus sondergleichen, und so wurden Menschen und vielleicht auch noch Baudenkmäler für die Nachwelt „abgelichtet“, nicht aber Vogelnester, Schafherden oder Flussläufe.

Landschaftswandel in Foto und Film

Einer der wenigen, der sich mit den sündhaft teuren, aufwendigen Kameras in die freie Natur wagte, war der westfälische Zoologe Dr. Hermann Reichling (1890-1948). Ihm und seinen außergewöhnlichen Fotografien ist nun eine Ausstellung im Naturkundemuseum in Münster gewidmet – es ist sein „Heimat-Museum“, denn Reichling hat es maßgeblich aufgebaut und bis zu seiner Absetzung 1933 geleitet.

Bilder im Buch
„Vogelfänger, Venntüten und Plaggenstecher – Natur und Landschaft vor 100 Jahren“ lautet der Titel eines ausführlichen Bildbandes mit 256 Seiten, der zum Ausstellungsthema vom Medienzentrum für Westfalen und vom Museumsamt erarbeitet worden ist. Das Buch ist im Tecklenborg-Verlag erschienen und für 19,90 € im Museum und im Buchhandel erhältlich.

In der Ausstellung zu sehen sind rund 85 großformatige Schwarz-Weiß-Fotos von Menschen, Natur und Landschaft in Westfalen, außerdem Filme und Originalobjekte aus dem Nachlass Reichlings. „Ein Zusammenschnitt von Filmen aus der Zeit um 1930, aufgenommen von Reichling, vermittelt zusammen mit rund 100 Tierpräparaten aus dem Bestand unseres Museums und mit Leihgaben zur Fotografie- und Filmgeschichte einen umfassenden Eindruck dieser Zeit“, erläutert Dr. Bernd Tenbergen, der die Ausstellung erarbeitet hat.

Venntüten und Vogelfänger

Der Vogelkundler Reichling habe besonders gerne „Venntüten“ fotografiert. Dabei handelt es sich um die früher weitverbreiteten Großen Brachvögel. Sie haben ihren Lebensraum in Mooren und Feuchtwiesen. Auch Vogelfänger und Plaggenstecher beobachtete Reichling bei ihrer Arbeit. Plaggenstecher haben früher in den Heidegebieten den obersten Boden abgetragen, um ihn als Einstreu im Stall zu nutzen.

Tipps für Besucher

Die Ausstellung ist im Naturkundemuseum in Münster, Sentruper Straße 285 (Nähe Allwetterzoo), bis zum 29. Januar zu sehen – täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. ein Begleitkatalog umfasst 116 Seiten und kostet 14,80 €.

Die Ausstellung wird in verkleinerter Form ab Frühjahr 2017 auf Reisen durch Westfalen gehen. Geplante Stationen sind unter anderem das Stadtmuseum in Minden, das Museum Haus Martfeld in Schwelm und das Naturkundemuseum im Marstall in Schloss Neuhaus bei Paderborn.

Text: LWL / G. Strotdrees
Foto: Reichling. – Die Aufnahme zeigt einen strickenden Schäfer mit seiner Schafherde, 1938.