Kriegsgrauen in 3D

Karl Bußhoff kam aus dem Dörfchen Walstedde im Münsterland, war Sohn eines örtlichen Postbeamten – und zog 1914 an die Kriegsfront mit der modernsten Fototechnik, die seinerzeit aufzutreiben war. Sein Wunderding konnte etwas, was die digitalen Knipskästchen unserer Tage nicht können: dreidimensionale Fotografie. „Wie bitte?“ – so wird nun manche Leserin und mancher Leser fragen. „Das gab es damals schon?“

Überraschung an einem kargen Ort

Ja, das gab es damals schon. Und wer es nicht glaubt, der fahre nach Hattingen ins Westfälische Industriemuseum, Abteilung „Henrichshütte“, und gehe durch die Ausstellung „Front 14/18 – Der Erste Weltkrieg in 3D“. Gezeigt und erläutert werden mehr als 80 Fotografien aus den Jahren des Ersten Weltkriegs. Die Aufnahmen wurden in zwei westfälischen Privatsammlungen entdeckt:

  • Die eine Sammlung stammt von Nachfahren des eingangs genannten Postbeamtensohnes Karl Bußhoff aus Walstedde (1887-1918).

  • Die andere Sammlung umfasst Stereografie-Aufnahmen des Berliner Bankbeamten Otto Mötje (1889-1962). Seine Aufnahmen von den Schlachtfeldern in Flandern und im Norden Frankreichs gelangten durch Erbgang nach Westfalen.

Die beiden Bildnachlässe wurden vom Historiker Volker Jakob aufgespürt. Er ist als wissenschaftlicher Referent beim Landesmedienzentrum für Westfalen in Münster tätig, einer Einrichtung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, und hat gemeinsam mit dem Fotografen und Bildwissenschaftler Stephan Sagurna die 3D-Aufnahmen erforscht. Daraus entstand die Idee zur Ausstellung.

Nicht zensiert, nicht kontrolliert

Die Aufnahmen der beiden Soldaten wurden offenbar nicht zensiert, ja nicht einmal kontrolliert. Abseits der offiziellen Militärfotografie haben sie den ersten totalen Krieg in Europa „abgelichtet“. Ihre dokumentarischen Aufnahmen werden ergänzt um Zitate aus Soldatenbriefen sowie um Filmsequenzen, etwa aus dem berühmten Anti-Kriegs-Film „Im Westen nichts Neues“ von 1930.

Die Ausstellung – dieses Urteil sei abschließend erlaubt – zählt zu den eindrucksvollsten Beiträgen Westfalens im deutschen und europäischen Gedenkjahr 2014. Sie ist ein drängender Appell der Erinnerung, gegen Krieg und für Diplomatie, Verhandlungen und Versöhnung.

Tipps für Besucher

Die Ausstellung „Front 14/18 – der Erste Weltkrieg in 3 D“ ist bis zum 9. November in der Henrichshütte Hattingen, einer Filiale des Westfälischen Industriemuseums, zu sehen. Das Museum (Werksstraße 31-33) ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, freitags bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet für Erwachsene 4 €, für Kinder, Jugendliche und Schüler 1,50 €, Familien 9 €.

Im Tecklenborg-Verlag Steinfurt ist ein informatives und gut bebildertes Begleitbuch erschienen, herausgegeben von den beiden Ausstellungsmachern Volker Jakob und Stephan Sagurna (240 Seiten, reich bebildert, incl. 3D-Brille, ISBN 978-3-944327-18-1, 24,80 €).Die weitere Ausstellungsorte und -termine:

  • 16. November bis 25. Januar 2015: Grafschafter Museum im Moerser Schloss
  • 1. Februar bis 29. März 2015: Wilhelm-Fabry-Museum in Hilden
  • 5. April bis 31. Mai 2015: Museum „Wendener Hütte“ in Wenden
  • 12. Mai bis 15. November 2015: Royal Engineers Museum in Gillingham (Großbritannien).

Bis 2017 folgen Stationen in Dortmund, Brilon, Recklinghausen, Hamm, Münster, im „Memorial Museum Passchendaele 1917“ in Zonnebeke (Belgien), sowie in Havixbeck, Velen und Gütersloh.

Text: Gisbert Strotdrees