Ausstellung im Industriemuseum Engelskirchen

Konsum: Motorräder, Musiktruhen und Marketing-Tricks

Auch Konsum hat Geschichte. Eine Sonderausstellung in der ehemaligen Baumwollspinnerei in Engelskirchen im Bergischen Land zeigt Kurioses und Nachdenkliches aus Vergangenheit und Gegenwart.

Jäger und Sammler tauchen überall auf. Wenn es sein muss, geben sie auch ihr letztes Erspartes, um Sneaker einer besonderen Marke zu ergattern, Jeans eines bestimmten Zuschnitts, edle Schreibgeräte, teure Uhren – oder auch das allerneueste Modell eines Küchengerätes, das „endlich alles kann“...

Diese Form des Konsums gibt es nicht erst heute, sondern hat Geschichte: Was heute das Smartphone, war gestern die Langspielplatte und vorgestern die Tabakpfeife . Und vorvorgestern?

Mitten in der Idylle des Bergischen Landes, in der Kraftwerkshalle der ehemaligen Baumwollspinnerei „Ermen & Engels“ in Engelskirchen, wird seit Kurzem die Geschichte des Konsums erzählt. „Must-have. Geschichte, Gegenwart, Zukunft des Konsums“ lautet der Titel der kürzlich eröffneten Sonderausstellung, die in mehr als 450 Exponaten die Entwicklung von der vorindustriellen Zeit bis in die Gegenwart zeigt.

Hinten wurde produziert, vorne verkauft: Das Warenhaus Hettlage in Düsseldorf um 1900, einer der ersten ­Konsumpaläste im Land.  Fotos: Museum

Warenhäuser als Konsumtempel

Wenige Besitztümer, lange Nutzungsdauer und fortwährendes Reparieren und Ausbessern von Alltagsgegenständen: Das war in ländlichen und kleinstädtischen Haushalten lange Zeit der Normalfall. Vieles, was benötigt wurde, hatte man zuvor selbst geschnitzt, gewebt oder geschraubt – oder vom Handwerker nebenan nach allen Regeln der Kunst anfertigen lassen. Erst um 1900 entstanden die ersten größeren Warenhäuser, in denen man probieren und einkaufen, aber auch schlendern und „einfach nur gucken“ konnte.

Mit 8 PS und 250 m3 zur Arbeit, ins Wochenende oder abends ins Kino: Ein Motorrad wie diese „Victoria“ zählte in den 1950er-Jahren zu den „Must-haves“.

Popmusik und neuer Luxus

Die Ausstellung lässt die Kriegs- und Notzeiten nicht außen vor, in denen der Massenkonsum einen Rückschlag erlitt. Nach den Jahren des „Wir hatten ja nichts“ rückte zuerst die Ernährung in den Mittelpunkt der Begehrlichkeiten, dann die Motorisierung, schließlich das Reisen. Musiktruhen und Fernseher füllten auch in Landhaushalten die Wohnzimmer. Die Welt der Unterhaltungselektronik und der Popmusik versprach neuen Luxus für die breite Bevölkerung.

Schallplatte, Tonband und „String-Regal“ als allerletzter Schrei: So sah Konsum in den 1970er- Jahren aus.

Der Konsum explodierte – und wirft heute Fragen auf: War das klobige Tonbandgerät der 1970er-Jahre tatsächlich einmal das begehrteste Kultobjekt unter Jugendlichen? Und dieses schmale Wandregal mit seitlich offenem Metallgestänge: Warum durfte es vor Jahrzehnten nicht fehlen, wo Menschen auf sich hielten?

Lifestyle aus dem Generator

Der Rundgang durch das Kuriositätenkabinett endet bei aktuellen Themen, die den Konsum der Massen infrage stellen: Sharing, Minimalismus oder Recycling zum Beispiel. „Heutzutage definieren wir uns darüber, wie wir konsumieren, welche Kleidung wir tragen, was wir essen, wie wir uns einrichten, wie wir unsere Freizeit gestalten oder welches Handy wir haben“, sind die Ausstellungsmacher überzeugt. Andererseits fragen viele, ob wir all die Dinge tatsächlich benötigen, die uns umschwirren oder durch geschicktes Marketing als „hot stuff“ angedreht werden.

Wer nicht weiß, was er heute unbedingt „haben müssen“ will, kann das in Engelskirchen klären. Jeder kann sich in einer interaktiven Installation seinen ganz persönlichen Lifestyle zusammenbasteln – und per Schnappschuss sichern. Vielleicht für die Enkelkinder, die einmal über die sonderbaren Konsumwünsche der „Altvorderen“ schmunzeln?

Gut zu wissen
Die Baumwollspinnerei Ermen & Engels“ wurde 1837 gegründet vom niederländischen Fabrikanten Peter A. Ermen und von Friedrich Engels senior aus Barmen, dem Vater des berühmten Sozialisten und Kampfgefährten von Karl Marx.
Nach gut 140 Jahren wurde das Unternehmen stillgelegt und umgenutzt. Ein Teil der Fabrikanlage wurde zu Büros, Wohnungen und Geschäftsräumen umgebaut. Ein anderer Teil, insbesondere das ehemalige Wasserkraftwerk und die Eigentümervilla, ist eine von sechs Filialen des Rheinischen Industriemuseums, das vom Landschaftsverband Rheinland getragen wird.
Das Industriemuseum Kraftwerk Ermen & Engels, Engels-Platz 2, in 51766 Engelskirchen, ist dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, samstags und sonntags sowie an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Die Sonderausstellung „Must-haves“ über den Konsum ist dort bis zum 27. Oktober zu sehen.
Weitere Informationen unter Tel. (0 22 34) 9 92 15 55, www.industriemuseum.lvr.de.