Wie sinnvoll ist dämmen?

Eine energetische Sanierung kann bis zu 70 % Energie einsparen, versprechen Studien. Doch es regt sich Widerstand. Viele Experten halten nichts vom Wärmedämmverbundsystem (WDVS).



Allerorts lesen Hausbesitzer: Das Haus zu dämmen ist gut für Umwelt und Geldbeutel. Denn die Energiekosten steigen und wer weniger verbraucht, muss weniger zahlen. Unterstützt wird die These durch finanzielle Anreize der Bundesregierung. Das klingt nach einer einfachen und logischen Rechnung. Doch in den letzten Wochen titeln Medien: „Stoppt den Dämmwahn!“ oder „Komplette Wärmedämmung total unwirtschaftlich“. Dabei prangern immer mehr Experten die nachträgliche Fassadendämmung als unwirtschaftlich an. Worum sich die Experten streiten, haben wir für Sie zusammengefasst.

Unstrittige Maßnahmen
Es gibt auch Sanierungsschritte, die kaum jemand in Frage stellt. Dazu zählen Maßnahmen wie:
- Austausch veralteter Heizungsanlagen,
- Dämmung des Dachbodens,
- Dämmung der Kellerdecke,
- Austausch einfach verglaster Fenster gegen doppelt oder dreifach verglaste Fenster,
- Schließung von Wärmebrücken, wie bei Rolllädenkästen oder Heizungsnischen.
Experten schätzen, dass sich auf diese Weise um die 30 % Energie einsparen lassen.

Je dicker die Dämmung …

Professor Jens Fehrenberg von der Hochschule Hildesheim ist Bauingenieur und Sachverständiger. In einem Interview mit dem WDR erklärte er kürzlich, dass dieses System eher der letzte Schritt im Sanierungsprozess sein sollte. Denn die Dämmung verhindert nicht den Energieverlust, sondern verlangsamt nur den Prozess. Viel Energie wird dagegen über Fenster eingebüßt, besonders wenn Bewohner sie zum Lüften öffnen. Darin liegt ein Kernproblem: Gut gedämmte Häuser muss man auch gut lüften. So geht die gewonnene Energie trotzdem verloren. Jens Fehrenberg ist nicht generell gegen das Dämmen. Er weist lediglich darauf hin, dass die versprochenen Einsparungen nicht eintreten. Denn die Effektivität einer Dämmung nimmt nicht mit der Stärke zu. Ab einer gewissen Dicke kann eine Dämmung nicht mehr leisten. Jeder zusätzliche Zentimeter Material ist dann unwirtschaftlich.

Im Zusammenhang mit dem WDVS gibt es noch weitere Kritikpunkte. Häufig steht das Dämmmaterial im Fokus – Polystyrol (Styropor). Die Industrie produziert das Erdölprodukt energieintensiv. Zusätzlich ist es fraglich, wie das Material später recycelt wird. Aber auch das Brandverhalten des Materials steht in der Kritik. Denn obwohl es eigentlich mit der Brandschutzklasse A1 deklariert ist, brannten Häuser mit einer solchen Dämmung schnell ab. np

Nachgefragt bei Christof Rose, Pressesprecher der AKNW

Wir haben bei dem Pressesprecher der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW) nachgefragt:
Grundsätzlich ist bei Fragen der energetischen Sanierung jedes Objekt einzeln zu prüfen, sagt Christof Rose. Am besten beauftragt man dazu einen Fachmann, beispielsweise einen energieberatenden Architekten (www.energieeffizienz-planer.de ). Denn jedes Gebäude stellt eine energetische Einheit mit spezifischen Eigenschaften dar, die es zunächst zu analysieren gilt. Gleichzeitig sollte man immer prüfen, ob begleitend zur energetischen Sanierung weitere Maßnahmen sinnvoll sind, um das Haus in seinem Wert zu erhalten oder sogar den Gebrauchswert zu erhöhen.

Die Dämmung mit Wärmedämmverbundsystemen ist ein möglicher Weg, um den Energiebedarf eines Gebäudes zu reduzieren, jedoch nicht der Königsweg. Alternativen bestehen in gedämmten Verkleidungen oder in einer fachmännisch geplanten Innendämmung. Immer ist die Frage zu klären, welche Dämmstärke notwendig und sinnvoll ist. Die Rechnung „je mehr, desto besser“ gilt dabei nicht; ab einer gewissen Stärke der Dämmplatten nimmt der Dämmwert nur noch gering zu. Das lohnt sich nur, wenn auch andere Maßnahmen wie hochwärmegedämmte Fenster und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung eingebaut werden.

Der energieberatende Architekt wird mit dem Bauherrn auch Alternativen in Erwägung ziehen. Manchmal bringt im Kosten-Nutzen-Verhältnis der Austausch der Heizanlage oder die Dämmung von Dach und Kellerdecke mehr als eine Außendämmung.

Nicht übersehen werden sollte auch die Frage der Architekturqualität eines Gebäudes und seiner Wirkung: Eine ausdrucks-starke Fassade sollte im Zuge einer energetischen Sanierung nicht einfach aufgegeben (und überklebt) werden; auch hier kennt der Fachmann bzw. die Fachfrau geeignete Alternativen.
Christof Rose, ist Pressesprecher der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW).

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 30, Seite 66.