Zu viel Fluorid macht Zahndefekt


Zu viel Fluorid im Trinkwasser aus Eigenbrunnenanlagen schadet vor allem dem Zahnschmelz von Kindern.

Als sich im Alter von sieben Jahren nur dünne und verformte Schneidezähne aus dem Oberkiefer ihres Sohnes schieben, sind die Eltern des Jungen aus Ascheberg völlig ratlos. "Dentalfluorose" diagnostiziert Ihr neuer Zahnarzt Dr. Thomas Sandkühler.

Generell ist Fluorid für die Härtung des Zahnschmelzes und die Stabilität der Knochen notwendig. Ein Mangel an Fluorid kann Karies fördern. Bei einer dauerhaften Überdosierung allerdings kommt es zu einer Fluorose am Zahnschmelz. „Diese entsteht durch eine chronische Fluoridüberdosierung während der Zahnentwicklung, also zwischen der 14. Schwangerschaftswoche bis etwa zum achten Lebensjahr", erklärt der Zahnarzt.

Neben weißen bis braunen Verfärbungen in Form von Flecken oder Streifen auf der Zahnschmelzoberfläche kann die gesamte Zahnoberfläche kreideweiß verfärbt und von braunen Verfärbungen durchsetzt sein. In stärkerer Ausprägung kann es zu großflächigem Schmelzverlust kommen. Dies ist nicht nur kosmetisch störend. Die Zähne sind auch weniger widerstandsfähig und kälteempfindlicher.

Brunnenwasser ist schuld

Obgleich Dentalfluorosen an sich selten auftreten, haben Zahnärzte in ländlichen Regionen des Münsterlandes mehr mit diesen Zahndefekten zu tun. Fachleute wie Geologe Prof. Dr.Wilhelm Coldewey von der Uni Münster schlagen schon seit Jahren Alarm. Sie machen vor allem zu hohe Fluoridwerte im Grundwasser privater Hausbrunnenanlagen verantwortlich. Aufgrund der geologischen Situation sind vor allem die Kreise Steinfurt, Münster, Warendorf, Hamm, Gütersloh sowie Teile der Kreise Coesfeld, Unna, Soest und Paderborn betroffen.

Von den etwa 7500 Hausbrunnen im Kreis Coesfeld, die Grundwasser zu Trinkwasserzwecken fördern, überschritten im vergangenen Jahr 269 Brunnen den vorgeschriebenen Grenzwert für Fluorid von 1,5 mg/l. „Die Messwerte liegen zwischen 1,6 bis 10 mg Fluorid/l“, informiert Dr. Heinrich Völker-Feldmann Leiter vom zuständigen Gesundheitsamt in Coesfeld. "Die Untersuchung unseres Trinkwassers ergab einen etwa sechsfach erhöhten Wert an Fluorid", berichtet auch der Vater der Jungen aus Ascheberg.

Fluoridquellen reduzieren

Als Fluoridquelle für Kinder kommen Zahncreme, Trinkwasser, Fluoridtabletten und fluoridiertes Speisesalz infrage. Wichtig sei, dass auf altersentsprechende Zahnpasten geachtet werde. Generell sollte das Brunnenwasser bei Fluoridwerten zwischen 1 und 2 mg/l nicht für die Zubereitung von Baby- und Kleinkindernahrung verwendet werden. „Liegen die Fluoridwerte im Trinkwasser über 2 mg/l, sollte das Wasser weder zum Trinken noch zum Kochen verwendet werden“, empfiehlt der Mediziner. Auf fluoridiertes Speisesalz und auf Fluoridtabellten sei zu verzichten.

Für den jungen Patienten aus Ascheberg kommen diese Empfehlungen zu spät. Seine bleibenden Schneidezähne müssen nun aufwendig zahnmedizinisch behandelt werden. Damit seiner jüngeren Schwester nicht das gleiche Schicksal ereilt, kauft die Familie fortan sogenanntes stilles Wasser zum Trinken und Kochen zu. Von dieser Maßnahme profitieren auch die Eltern, denn zu viel Fluorid macht auf Dauer nicht nur die Zähne kaputt, sondern kann auch zu Schäden am Knochengerüst führen. Gerlinde Lütke Hockenbeck


Derzeit fehlt es an Alternativen


Was können Brunnenbeisitzer tun, wenn ihr Trinkwasser daraus nicht der Trinkwasserverordnung entspricht? „Da erhöhte Werte von Fluorid, Bor, Chlorid und Methan im Trinkwasser von Eigenbrunnenanlagen oft natürlicherweise im Boden vorkommen, kann die Bohrung eines neuen Bohrlochs im Abstand weniger Meter zum alten Bohrloch versucht werden", sagt Geologe Coldewey. Der Experte rät jedoch zu Bohrungen bis max. 50 m Tiefe.

An richtigen Alternativen fehle es gegenwärtig aber, da trotz zahlreicher Versuche eine konkrete Ursachenforschung weder von den Gemeinden, noch von den Kreisen sowie vom Land finanziell unterstützt werde.

Wasseraufbereitungsanlagen sind teuer und nicht wartungsfrei. Der Anschluss an das öffentliche Trinkwassernetz sei oft nicht möglich und berge die Gefahr, dass sich in den langen Rohrleitungen gefährliche Mikroorganismen bilden. Wasser in erdverlegten Tanks könne bei unsachgemäßer Behandlung ebenfalls verkeimen. So bleibe häufig nur der Ausweg, Wasser in Trinkflaschen zu kaufen.

Daher sei es dringend geboten die Quelle der erhöhten Fluoridgehalte zu erfassen und betroffenen Regionen systematisch zu kartieren, um den Besitzern der Hausbrunnenanlagen gezielte Empfehlungen im Umgang mit der Grund- und Trinkwassernutzung zu geben. Dies könne beispielsweise in Form von Broschüren und Anleitungen erfolgen.