Willkommen, kleiner Mensch

In den ersten vier Wochen eines Neugeborenen passiert viel. Die Umstellung nach der Geburt ist für Kind und Eltern gleichermaßen ereignisreich.

Zu keinem anderen Zeitpunkt verändert sich der menschliche Körper mehr als in der Neugeborenenzeit. Mit dem ersten Schrei nach der Geburt füllt sich seine Lunge mit Luft und die Durchblutung der Lungenbläschen beginnt.

Die im Mutterleib noch lebenswichtigen Blut-Umgehungskreisläufe verschließen sich. Der Magen-Darm-Trakt übernimmt seine Funktion. Der Hörsinn ist schon so gut ausgeprägt, dass es Stimmen vertrauter Menschen oder Musik aus der Zeit der Schwangerschaft erkennen kann. Der Tastsinn ist am besten entwickelt. Am Geruch erkennt das Neugeborene seine Mutter bereits ab der zweiten Lebenswoche. Die Sehfunktion ist noch nicht ausgereift, in einem Abstand von 20 cm kann es aber schon Gesichter erkennen.

Zeit nach der Geburt

Unmittelbar nach der Geburt wird das Neugeborene mit warmen Tüchern trocken gerieben und der Mutter in den Arm gelegt. Fünf und zehn Minuten nach der Geburt werden die sogenannten ­APGAR-Werte vergeben. Sie beschreiben den Zustand der Atmung, der Pulsfrequenz, des Grundtonus, das Aussehen und die Reflexe des Kindes. Ein optimal angepasstes Kind kann zehn Punkte erreichen.

Bereits in den ersten zwei Lebensstunden sollte das Baby das erste Mal angelegt werden, um die Milchbildung und Mutter-Kind-Bindung zu fördern. Saug- und Suchreflex sind schon bei der Geburt optimal ausgebildet.

Erste Untersuchungen

Noch im Kreißsaal erfolgt die erste ärztliche Untersuchung (U1). Hier wird vor allem auf angeborene Fehlbildungen geachtet. Aber auch Geburtsverletzungen wie ein Bluterguss und eine Flüssigkeitsansammlung im Bereich der Kopfschwarte, wie sie bei einer Geburt mittels Saugglocke entstehen können, werden in Augenschein genommen. Manche Kinder bleiben während des Geburtsvorgangs mit der Schulter stecken. Dann kann es zu einer Lähmung des Armes durch Zerrung oder Ausriss von Nervenwurzeln kommen.

Zwischen der 36. und 72. Lebensstunde erfolgt das Neugeborenenscreening mit Blutentnahme. Es dient dazu, angeborene Stoffwechselstörungen rechtzeitig zu diagnostizieren. Das ist beispielsweise bei einer angeborenen Unterfunktion der Schilddrüse der Fall. Wird diese nicht in den ersten Lebenstagen mit Schilddrüsenhormonen therapiert, ist der Schaden für die Gehirnentwicklung des Kindes nicht mehr rückgängig zu machen. Die zweite Vorsorgeuntersuchung (U2) im Alter zwischen dem 3. und 10. Lebenstag erfolgt ebenfalls häufig noch in der Geburtsklinik. Alle Kinder erhalten auch bereits vor Entlassung aus der Klinik ein Hörscreening.

Im Rahmen der ersten drei Vorsorgeuntersuchungen erhalten Neugeborene jeweils 2 mg Vitamin K in Tropfenform in den Mund. Vitamin K ist ein lebenswichtiges fettlösliches Vitamin, das für eine normale Blutgerinnung verantwortlich ist. Vitamin D ist wichtig zur Vorbeugung einer Rachitis und dient der Calciumaufnahme und dem Calciumeinbau in den Knochen. Fluorid wird normalerweise mit Vitamin D in einer Tablette verabreicht.

Fluorid in der Menge von 0,25 mg täglich ist wichtig zur Kariesprophylaxe. Es sollte bei Fluoridmangel im Trinkwasser ebenfalls täglich zugeführt werden. Haushalte, die einen eigenen Brunnen haben, sollten die Fluoridwerte des Grundwassers bestimmen lassen. Das Brunnenwasser im Münsterland hat oft einen zu hohen Fluoridwert und darf dann nicht als Trinkwasser genutzt werden.

In unseren Breiten liegt das normale Geburtsgewicht eines reifen Neugeborenen zwischen 2800 und 4200 g, die Körperlänge zwischen 48 und 56 cm. In den ersten Tagen können bis zu 10 % des Geburtsgewichts durch Flüssigkeitsverluste und eine erst in Gang kommende Milchproduktion abgenommen werden.

Die meisten Kinder erreichen ihr Geburtsgewicht nach ein bis zwei Wochen wieder. Ist dies nicht der Fall, sollte der Kinderarzt dazu befragt werden. Es kann beispielsweise sein, dass ein Kind einen zu schwachen Saugreflex hat oder aber zu we­nig Muttermilch vorhanden ist. Manchmal muss Muttermilch abgepumpt und dem Kind in einer Flasche verfüttert werden.

Endlich zu Hause

Muttermilch ist die beste Grundlage für eine gesunde Säuglings­ernährung. Ist es aber notwendig, mit Säuglingsmilch zuzufüttern, sollte immer Pre-Säuglingsnahrung gefüttert werden. Sie ist der Muttermilch am ähnlichsten. Leiden Vater und/oder Mutter an Heuschnupfen, allergischem Asthma oder Neurodermitis, ist eine hypoallergene (HA) Pre-Säuglingsnahrung zu empfehlen.

Die ersten Tage mit dem Baby zu Hause sind oft aufregend und stressig. Babys sollten so oft gestillt werden, wie sie möchten, das kann alle 90 Minuten der Fall sein oder auch nur alle vier Stunden. Insbesondere stillende Mütter entwickeln häufig ein Schlafdefizit. Hier helfen Geduld und der Tipp, tagsüber öfter eine Schlafpause einzulegen, wenn das Kind auch schläft, um Kräfte zu tanken.

Manchmal bereitet das Stillen Probleme. Unsicherheiten bestehen oft auch bezüglich der Nabelpflege und bei Auftreten einer Neugeborenengelbsucht. In diesem Zusammenhang ist die Begleitung der Familie durch eine Hebamme ihres Vertrauens ganz wichtig. Dr. Schulze Everding