Unterstützung im Alltag

Hätten Sie es gewusst? Wer in einer Pflegestufe eingruppiert ist, hat Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Dies gilt bereits ab „Pflegestufe 0“. Das ist nicht neu, aber wenig bekannt.

Mareen Wenker ist hauswirtschaftliche Betriebsleiterin. Seit drei Jahren arbeitet sie bei einem ambulanten Pflegedienstanbieter in Billerbeck, im Kreis Coesfeld.

Dort leitet sie das 14-köpfige Betreuungs- hauswirtschaftliche Team. Dieses wird immer dann aktiv, wenn Pflegebedürftige oder Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz ihre Unterstützung benötigen. „Leider ist vielen Betroffenen die Möglichkeit einer zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistung aus der Pflegeversicherung gar nicht bekannt“, sagt Mareen Wenker. „Oder aber sie werden nicht in vollem Maße ausgeschöpft.“

Leistung bereits ab Stufe 0

Was viele Angehörige und Pflegebedürftige nicht wissen: Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45 a und b SGB XI hat jede Person, der ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zuerkannt wird. Und das gilt unabhängig vom Grad der Pflegestufe. „Denn auch Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, die in der sogenannten ‚Pflegestufe 0‘ eingestuft sind, können auf Antrag Leistungen beziehen“, erklärt die 25-Jährige.

„Pflegestufe 0“
Bei Bedarf können folgende Leistungen aus der Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden:
- Pflegegeld von monatlich 123 € oder 231 € Pflegesachleistung, wenn ein Pflegedienst die Pflege übernimmt. Auch eine Kombination ist möglich;
- Tagespflege in einer teilstationären Einrichtung von bis zu 231 € im Monat;
- Bis zu 1612 € je Kalenderjahr, für eine Ersatzpflege. Werden diese Leistungen nicht voll ausgeschöpft, kann die Hälfte davon, also 806 €, für die Finanzierung einer Kurzzeitpflege genutzt werden;
- 1612 € pro Kalenderjahr (max. 28 Tage) für die Tagespflege. Werden diese Leistungen nicht in Anspruch genommen, kann die Hälfte davon, also 806 €, für eine Verhinderungspflege genutzt werden.
- Bis zu 104 € monatlich stehen für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen zur Verfügung. Liegt eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz vor, beispielsweise bei fortgeschrittener Demenz, können bis zu 208 € monatlich geltend gemacht werden.
- Leistungen für „Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“. Die Kosten dafür werden in Höhe von bis zu 4000 € bezuschusst.
- Technische Hilfsmittel, wie ein Rollator, werden vorrangig leihweise gestellt. Die Kosten für Verbrauchsmittel wie Vorlagen, Einmalhandschuhe usw. können in Höhe von bis zu 40 € im Monat erstattet werden.

Die Leistungen können in Anspruch genommen werden für anerkannte niedrigschwellige Angebote; anerkannte Haushalts- und Serviceangebote sowie Alltagsbegleiter, die bei der hauswirtschaftlichen Versorgung und Bewältigung sonstiger Alltagsanforderungen im Haushalt helfen; Aufwandsentschädigungen für anerkannte ehrenamtliche Helfer oder für Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste, wie Mareen Wenker sie durchführt. Je nach Bedarf putzt und kocht sie für die Person. Wenn nötig begleitet sie Einkäufe oder Behördengänge oder betreut die Person für einige Zeit.

Wofür die Leistungen sind

Jeden Montagnachmittag sucht die Hauswirtschaftsleiterin eine Familie in Billerbeck auf. Dort ist sie für zwei Stunden im Haushalt der 88-jährigen Seniorin im Einsatz. „Ich unterstütze sie bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und immer bleibt auch Zeit für einen Spaziergang um den Hof oder für ein Spiel Mensch ärgere dich nicht oder Mühle“, berichtet Mareen Wenker.

„Nach einem Krankenhausaufenthalt vor etwa zwei Jahren hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) eine „eingeschränkte Alltagskompetenz“ festgestellt und sie in ‚Pflegestufe 0‘ eingestuft“, berichtet die Schwiegertochter. Seither kann die Seniorin „zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen“ von monatlich bis zu 104 € in Anspruch nehmen.

Entlastung für Angehörige

Die Angehörigen sind froh über diese Regelung und schätzen die Unterstützung durch den Pflegedienst von außen. „Mit der Zeit werden die sozialen Kontakte einfach weniger“, sagt die Schwiegertochter. Sie selbst ist an drei Tagen in der Woche berufstätig. Die noch mit im Haushalt wohnenden Söhne kommen häufig erst nachmittags nach Hause. Und ihr Ehemann führt den landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb und geht auf Abruf einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit nach. So ist die Seniorin in ihrem Haushalt auch oft allein. „Wenn dann eine hauswirtschaftliche Fachkraft kommt, im Haushalt nach dem Rechten schaut und etwas für Betreuung sorgt, dann ist das auch für uns beruhigend zu wissen“, sagt sie.

Zusätzlich nimmt die Familie den ambulanten Pflegedienst noch an zwei Vormittagen für die Grundpflege in Anspruch. In der „Pflegestufe 0“ stehen als Pflegesachleistung 231 € zur Verfügung, die der Pflegedienst mit der Pflegekasse abrechnet. Wird diese Summe nicht voll ausgeschöpft, kann sie auch anteilig als Pflegegeld ausgezahlt werden.

„Wir setzen uns meist im Oktober mit Pflegebedürftigen und Angehörigen zusammen und prüfen, ob alle Möglichkeiten der Unterstützung ausgeschöpft sind“, erklärt Mareen Wenker. Denn in einigen Fällen sind Umschichtungen möglich. Siehe Kasten „Pflegestufe 0“.

So können nicht ausgeschöpfte Beträge aus der ambulanten Pflegesachleistung auch für die Finanzierung zusätzlicher Betreuungs- und Entlastungsleistungen verwendet werden. Sprich: Hauswirtschaftsleiterin Mareen Wenker ist dann öfter oder auch einmal länger bei der Seniorin im Einsatz. G. Lütke Hockenbeck