Erst trocken, dann entzündet

Trockene Haut und wenige Krankheitsschübe mit Ekzem und Juckreiz – so zeigt sich bei über 90 % der Kinder eine Neurodermitis. In den meisten Fällen heilt sie komplett aus. Wenn nicht, so ist sie behandelbar.

Neben einer genetischen Veranlagung zur Neurodermitis besitzen daran erkrankte Kinder eine gestörte Hautbarriere. Die Haut trocknet dadurch vermehrt aus, wird rissig und juckt.

Entzündungsstoffe, Allergene, Viren und Bakterien können leichter eindringen und zu Entzündungen führen. Bei chronischen Prozessen verdickt und vergröbert sich die Haut. Starkes Kratzen verursacht oft nässende kleine Wunden, die sich infizieren können. Sowohl Hautbakterien wie Staphylokokken als auch Viren wie Herpesviren können dann schwere Hautinfektionen hervorrufen.

Typische Symptome

Bei Säuglingen und Kleinkindern sind häufig Gesicht, Hals und Streckseiten der Arme und Beine gerötet. Bei älteren Kindern sind Kniekehlen und Ellenbeugen entzündlich verändert. Die Kinder verspüren einen mitunter starken Juckreiz. Typisch ist, dass diese Beschwerden chronisch verlaufen bzw. schubweise wiederkehren.

Um eine eindeutige Diagnose stellen zu können, müssen neben diesen drei Symptomen mindestens drei folgender Kriterien erfüllt sein. Dazu zählen beispielsweise trockene Haut, Schuppung, Hand- und Fußekzem, Lippenekzem, Neigung zu Hautinfektionen sowie Juckreiz beim Schwitzen. Auch eine Unverträglichkeit gegenüber Wolle und Seifen sowie eine Nahrungsmittelintoleranz zählen dazu. Außerdem kann ein erhöhtes Serum-Immunglobulin E (IgE) auf eine Allergieneigung hindeuten.

Insbesondere bei einem schweren Verlauf und frühen Beginn der Erkrankung im Säuglingsalter kann sich im späteren Leben ein Heuschnupfen oder ein allergisch bedingtes Asthma bronchiale entwickeln. Bei den meisten Kindern heilt eine Neurodermitis jedoch komplett aus. Im Erwachsenenalter sind nur noch etwa 3 % der Menschen betroffen. Haben beide Eltern Neurodermitis, werden 60 bis 80 % ihrer Kinder ebenfalls erkranken. Trotz dieser genetischen Risikofaktoren spielt die Umwelt eine große Rolle.

Auslöser und Verstärker

Stufentherapie bei der Neurodermitis
Je nach Stadium der Hauterkrankung wird nach einem Stufenschema behandelt.
Basispflege: Die sogenannte Basispflege dient dazu, die gestörte Barrierefunktion der Haut wiederher­zustellen. In der kalten Jahreszeit braucht die Haut mehr Fett, im Sommer wasserhaltigere Cremes.
Leichte Ekzeme: werden zusätzlich zur Basistherapie mit antiseptischen und juckreizstillenden Wirkstoffen behandelt. Ein schwach wirksames Cortisonpräparat als Creme zeigt oft einen raschen Behandlungserfolg.
Mittelschwere und schwere Ekzeme: machen den Einsatz stärker wirksamer Steroide erforderlich. Gezielt und kurzfristig, das heißt für maximal drei Wochen am Stück, eingesetzt, wirken sie gut. Nebenwirkungen der Steroide, wie dünner werdende Haut, Dehnungsstreifen und Gefäßerweiterungen sowie allgemeine körperliche Nebenwirkungen, werden vermieden.

Der Verlauf der Neurodermitis wird wesentlich durch eine Reihe von Triggerfaktoren beeinflusst. 30 bis 40 % der Kinder mit Neurodermitis leiden an einer Nahrungsmittelallergie. Diese sollte bei ausgeprägten entzündlichen Veränderungen abgeklärt werden. Hierzu wird entweder ein Haut-Pricktest oder eine Blutentnahme zur Allergiediagnostik durchgeführt. Getestet werden Kuhmilch, Ei, bei älteren Kindern auch unter anderem Soja, Weizen und Erdnuss. Eine Allergie setzt nicht voraus, dass das Kind das Nahrungsmittel gegessen hat. Vielmehr kann bereits der Kontakt mit dem Allergen über die entzündete Haut oder sogar über in der Muttermilch enthaltene Allergene ausgelöst werden.

Neben Allergenen sind Infektionen der Haut wichtige Triggerfaktoren. Da der Haut Abwehrstoffe des angeborenen Immunsystems fehlen, ist sie deutlich empfänglicher für Infektionen. Diese können einen erneuten Schub auslösen oder eine Neurodermitis verstärken. Bakterielle Infektionen äußern sich durch nässende Areale, Pusteln und gelbliche Krustenbildung.

Hier sind Schwarzteeumschläge und antimikrobielle desinfizierende Salben zum Beispiel mit Chlorhexidin oder Triclosan 1 bis 2 % hilfreich. Manchmal ist auch eine antibiotische Therapie erforderlich. Bei ausgeprägtem Kopf-Hals-Ekzem findet sich oft eine Pilzbesiedlung als Ursache, hier helfen antimykotische Salben.

Auch ungeeignete Kleidung, vor allem aus Schafswolle, kann Haut­reizungen hervorrufen. Die Ekzemreaktionen sind häufig an den Bündchen der Oberbekleidung zu erkennen oder im Nacken. Bekleidung sollte luftig und locker sein. Waschmittel und Weichspüler sind selten Trigger, solange nach dem Waschvorgang ausreichend gespült wurde. Extreme Hitze oder Kälte verstärken den Juckreiz. Ebenso kann sich psychischer Stress an der Haut manifestieren.

Umgang mit Erkrankung

Mütter, die ihr Kind in den ersten vier Lebensmonaten stillen bzw. ihm hypoallergene Säuglingsanfangsnahrung geben, können dazu beitragen, dass die Erkrankung nicht so früh und stark ausgeprägt auftritt. Ist ein Kind jedoch schwer an Neurodermitis erkrankt, sollten Eltern und Kind den Umgang mit der Erkrankung und die stadiengerechte Therapie erlernen.

Einfache Juckreiz-Stop- Techniken tragen wesentlich zur Linderung bei. Die Kosten für zertifizierte Neurodermitisschulungen werden von den Krankenkassen übernommen. Eine Übersicht über die Schulungszentren bietet die Homepage der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitis-Schulung (AGNES) an. Dr. med. Anne Schulze Everding