Telemedizin: elVi

Arztbesuch – per Video

In der Region Bünde können Ärzte ihre Patienten in Pflegeeinrichtungen per elektronischer Visite (elVi) besuchen. Das soll sie entlasten und die ärztliche Versorgung alter und kranker Menschen im stationären Bereich sichern.

"elVi“ steht für die elektronische Arztvisite in stationären Pflegeeinrichtungen. Sie soll den Bewohnern eine schnelle Visite beim Arzt ermöglichen und belastende Krankenfahren ersparen. Gleichzeitig schont sie Ressourcen der Ärzte und des Pflegepersonals. Möglich macht das die elektronische Arztvisite (elVi), ein Projekt der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und mittlerweile aller gesetzlichen Krankenkassen.

Über ein webbasiertes Videokonferenzsystem kann der Arzt chronische Wunden beurteilen, Therapievorschläge besprechen oder Medikationsfragen beantworten. Bei Bedarf lassen sich weitere Vitaldaten wie Herzrhythmus, Körpertemperatur oder Blutzuckergehalt übermitteln. Für Patienten ist die Teilnahme freiwillig und kostenlos.

Modellprojekt vom Ärztenetzwerk in Bünde umgesetzt

Erprobt und eingeführt wurde dieses telemedizinische Angebot vom ortsansässigen Ärztenetzwerk „Medizin und Mehr eG“ in Bünde. Die teilnehmenden Arztpraxen führen hier auf Anfrage der Pflegekräfte in den 15 teilnehmenden Pflegeheimen der Region eine elektronische Arztvisite durch.

Das St. Laurentius Stift im ostwestfälischen Löhne, eine Pflegeeinrichtung der Caritas mit 154 Bewohnern, war von Anfang an dabei. Dr. Hans-Jürgen Beckmann, Facharzt für Chirurgie aus Bünde, ist nicht nur Leiter des Projekts, sondern auch behandelnder Arzt, der regelmäßig von der Pflegeeinrichtung kontaktiert wird. Bricht beispielsweise die chronische Wunde seines Patienten auf oder muss diese auch nur fachärztlich begutachtetet werden, stellt Altenpfleger Daniel Uhrmacher per Live-Übertragung eine Verbindung zu dem Chirurgen her.

Live-Schaltung mit Arzt

Über eine Kamera, mit der Pfleger Uhrmacher eine Nahaufnahme der Wunde aufzeichnet, macht sich Dr. Hans-Jürgen Beckmann live ein Bild vom Hautzustand seines Patienten. Gleichzeitig kann er ihn fragen, ob die Wunde etwa juckt oder schmerzt und über den kleinen Bildschirm des Tablets Kontakt zu ihm aufnehmen. Daniel Uhrmacher koordiniert in der Pflegeeinrichtung die Einsätze der elektronischen Arztvisiten.

Bei Bedarf kann er weitere Informationen übermitteln und auf Anordnung des Arztes die Wunde versorgen. „Die digitale Sprechstunde vermittelt mir im Handeln auch mehr Sicherheit“, sagt der Altenpfleger. Denn bei Unsicherheiten, wie beispielsweise neuen Verbandsmaterialien, könne die Pflegefachkraft gleich Rückfragen stellen.

In der Regel nehme die Pflegeeinrichtung zwei bis achtmal in der Woche die elVi in Anspruch. Durchschnittlich dauere diese nicht länger als zehn Minuten. Vieles geht einfach schneller: „So die Terminvergabe beim Facharzt. Auch im Notfall bekommen wir innerhalb von einer Stunde eine Rückmeldung vom Arzt.“

Zeitersparnis für alle

Daniel Uhrmacher weiß die elektronische Visite zu schätzen, die im Ärztenetz Bünde im Rahmen des Modellprojektes zur „Optimierung der ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen“ erprobt wird. Es soll oft belastende oder auch nicht erforderliche Klinikeinweisungen reduzieren und schwierige Notfallsituationen vermeiden helfen.

Manchmal allerdings lässt sich innerhalb der elektronischen Arztvisite nicht alles regeln. "Dann muss der kranke Bewohner doch in die Arztpraxis kommen oder in die Klinik“, sagt Mediziner Beckmann. Dennoch spart die "elVi" kostbare Zeit.

„Ich erspare mir lange Fahr- und Leerzeiten und kann mich in dieser Zeit um Patienten kümmern“, sagt Dr. Hans-Jürgen Beckmann. Zeit spielt in ärztlich unterversorgten Regionen wie Bünde eine große Rolle. Überlaufene Sprechstunden mit langen Wartezeiten sind hier an der Tagesordnung. „Für viele ältere, oft bettlägerige und schwerst kranke Bewohner wäre die Fahrt zur Arztpraxis und das lange Sitzen im Wartezimmer eine unzumutbare Tortur“, sagt der Mediziner.

Vorteile für Bewohner

Andere müssen mit einem Krankentransport zum Arzt befördert werden und können nur in Begleitung dort bleiben. „Das kostet nicht nur Transport- und Personalkosten. Die Betreuungs- oder Pflegekraft fehlen dann auch im Wohnbereich der Pflegeeinrichtung“, sagt Altenpfleger Uhrmacher. Der Aufwand ist oft extrem hoch. Für alle Beteiligten.

Für Menschen mit Demenz kommt meist eine weitere Erschwernis hinzu, wie Stefan Budde, Pflegedienstleiter im St. Laurentius Stift erklärt: „Verlässt ein an Demenz erkrankter Mensch sein gewohntes Umfeld, dauert es etwa 48 Stunden bis er sich wieder einlebt.“ In solchen Fällen ist eine digitale Sprechstunde oft Gold wert.

Im Rahmen von Modellprojekten:

Das Modellprojekt zur „Optimierung der ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen“ wurde 2014 in Leben gerufen. An dem Projekt beteiligt sind fünf ausgesuchte Regionen bzw. Praxisnetze und zwar in Bünde, Lippe, Marl, Münster und Unna. Über eine individuelle Vereinbarung können Versicherte, die in einer vollstationären Einrichtung in der Modellregion leben, an dem Projekt teilnehmen.

Die am Projekt beteiligten niedergelassene Haus- und Fachärzte verpflichten sich unter anderem, feste Sprechstunden in den Heimen anzubieten und jeweils vor den Wochenenden den Gesundheitszustand der Bewohner gemeinsam mit dem Pflegepersonal zu erörtern. Vertraglich geregelt ist, dass sie ihre Patienten mindestens dreimal im Quartal ohne speziellen Anlass im Heim aufsuchen.

In Bünde findet seit 2016 einer dieser regelhaften Arztbesuche per elektronischer Arztvisite (elVi) statt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der erste Kontakt zum Arzt persönlich in der Praxis oder im Pflegeheim stattgefunden hat. Die "elVi" wird auf weitere Praxisnetzregionen ausgeweitet und von allen gesetzlichen Krankenkassen finanziert.
Infos unter: https:www.elvi.
de

Den Beitrag können Sie nachlesen im Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben auf den Gesundheitsseiten der Ausgabe 25 vom 21. Juni 2019.

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